Hilden: Mobbing kann jeden treffen
Schülertraining: Durch ein Projekt an allen weiterführenden Schulen ist die Zahl der Mobbing-Fälle auf ein Drittel gesunken.
Hilden. Jedes fünfte bis sechste Kind wird in seiner Schulzeit von Mitschülern massiv gehänselt und aus der Gemeinschaft ausgegrenzt - und es kann jeden treffen. Damit in Hilden dieser statistische Wert für das so genannte Mobbing nicht erreicht wird, investiert die Stadt jährlich 13 000 Euro.
Damit wird das Projekt "Stark im Konflikt" an allen weiterführenden Schulen angeboten. "Das ist bundesweit einmalig", sagt Projektentwickler Simon Steimel, "dass alle Schulen einer Stadt gemeinsam so intensiv an diesem Thema arbeiten."
Seit Anfang 2000 setzen sich der Theaterpädagoge und seine Kollegin Tina Menschner mit dem Thema Gewalt unter Jugendlichen auseinander. Vor drei Jahren haben sie mit dem Projekt in Hilden begonnen.
Mittlerweile hat der erste Jahrgang das komplette Programm durchlaufen: im fünften Schuljahr ein Schülertraining zum Verhalten in Konfliktsituationen und bei Mobbing, ein Fortsetzungstraining in der sechsten Klasse sowie eine Theateraufführung und Schülertraining für die siebten Klassen.
"Wir haben ein bisschen erreicht", resümmierte Steimel gestern nach der Aufführung des Theaterstückes "Tatverdächtige" für die siebten Klassen des Evangelischen Schulzentrums: "Natürlich ist jetzt nicht alles heile Welt." Ein bis zwei Fälle gibt es in Hilden immer noch - pro Jahrgang an allen Schulen.
Bundesweiter Durchschnitt ist fünf bis sechs Fälle. Mobbing wird auch in Hilden ein Thema bleiben, "aber es ist aus der Tabuzone gekommen", so Renate Quast, Lehrerin und Mobbing-Beauftragte am Bonhoeffer-Gymnasium. Dem stimmt Doris Weltin zu.
Die Beratungslehrerin an der Fliedner-Realschule hat bemerkt, dass seit Projektbeginn die Meldebereitschaft größer geworden ist. Und meistens melden sich besorgte Mitschüler. Auch wenn die Sorge oft unbegründet ist, "in fast jeder Klasse gibt es Ansätze von Ausgrenzungsfällen", so Weltin.
Während des Projektes konnte in Hilden ein Mobbing-Fall aufgedeckt werden. Aber nicht nur deshalb sind die Schüler vom Erfolg des Projekts überzeugt. In einer anonymen Umfrage unter allen Teilnehmern des ersten Jahrgangs (mittlerweile sind rund 1800 Schüler in 67Klassen beteiligt) gaben die meisten Schüler an, dass nach dem Projekt die Klassengemeinschaft viel besser (8,42 Prozent), besser (39,09 Prozent) oder zumindest gleich gut (41,81 Prozent) sei. In anderen Städten, so Steimel, seien 60 bis 70 Prozent mit der Klassengemeinschaft unzufrieden.
Auch bei den Lehrern zeigt das Projekt Wirkung. Im Kollegium ist dessen Notwendigkeit mittlerweile unbestritten. Die anfangs von manchem Pädagogen vertretene Meinung, er habe eine liebe Klasse, die das Projekt nicht brauche, ist größtenteils der Erkenntnis gewichen, dass es nicht allein um Gewalt und Mobbing in der Klasse geht, sondern auch um das Umfeld. Und noch eine Einschätzung hat sich bei den Kollegen von Renate Quast durchgesetzt: "Keine Schule kann es sich heute noch leisten, zu behaupten, es gäbe bei ihr kein Mobbing."