„Das ist ein Hilferuf“
Immer mehr Familien werden von der Initiative „Wülfrather Kinder in Not“ unterstützt. Doch die Organisatoren sind nicht sicher, ob sie das dauerhaft finanzieren können.
Wülfrath. "Die Politik hat noch nicht mitbekommen, wie schlecht in diesem reichen Land manche Kinder aufwachsen müssen", sagt Gudula Kohn. Das klingt verbittert. Die Leiterin des Kinder- und Familienzentrums Ellenbeek legt nach: "Arme Kinder sind doppelt in den Hintern gekniffen: Sie werden in eine arme Familie geboren - und das in einer armen Stadt."
Wolfgang Peetz, DRK-Vorsitzender
Ein Lichtblick in dieser Tristesse sei das Projekt "Wülfrather Kinder in Not". Kohn: "Erstmals habe ich das Gefühl, dass ein Ausgleich für Chancengleichheit gewährt wird. Und das völlig unbürokratisch." Dass diese Initiative des Deutschen Roten Kreuzes immer mehr Kindern in Kindergärten und Grundschulen ein Mittagessen ermögliche, ist für sie "das Eintrittsgeld in die Bildung".
Ein Eintrittsgeld, das Jahr für Jahr häufiger angefragt wird, wie DRK-Vorsitzender Wolfgang Peetz erläutert. Finanzierte "Wülfrather Kinder in Not" im vergangenen Schuljahr 35 Grundschülern das Mittagessen in den Offenen Ganztagsschulen, sind es in diesem Jahr 50 - Tendenz steigend, "auch weil in der Hauptschule jetzt Essen angeboten wird". Zudem bezahlt die Aktion 20 Mädchen und Jungen in Kindergärten das Essen. "Wir haben dafür einen Finanzbedarf von 40.000 Euro im Jahr. Und das ausschließlich über Spenden. Ich habe Sorge, dass wir das nicht immer sichern können", sagt Peetz.
"Wir brauchen wirklich jeden Cent", sagt der ehemalige Kämmerer der Stadt. Und deshalb hat er in dieser Woche auch Bürgermeisterin Barbara Lorenz-Allendorff geschrieben. Bekanntlich ist "Wülfrather Kinder in Not" der Nothaushaltsgemeinde zur Seite gesprungen, als sie die städtischen Anteile des NRW-Programms "Kein Kind ohne Mahlzeit" nicht aufbringen konnte.
"Nun hat Wülfrath ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept. Da darf die Stadt ihren Anteil von einmalig 5.000 Euro selbst aufbringen", sagt Peetz - der Initiative würde das Luft verschaffen. Den Partnern in Schulen und Kindergärten, wie dem Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer (SKFM), muss Peetz mitteilen, dass die Kostenübernahmen für das Mittagessen erst einmal nur für das erste Halbjahr zugesichert werden kann. Peetz: "Wir brauchen dringend Spenden. Das ist ein Hilferuf."
Gudula Kohn, Leiterin des Kinder- und Familienzentrums Ellenbeek
Kinder, die noch nie den eigenen Kindergeburtstag feiern konnten. Die Mutter, die weinend anruft, weil sie die zehn Euro für die Schulbücher ihres Sohnes nicht hat. Gudula Kohn kann viele Armutsgeschichten erzählen. "Wenn wir den Zu-verschenken-Tisch im Kindergarten aufbauen, sind in zwei Stunden alle Dinge weg", sagt sie - Kleidung, Bücher, Spielzeug... Das Wichtigste aber, was man betroffenen Kindern bieten könnte, sei das regelmäßige Mittagessen und die damit verbundene Betreuung in Kindergarten oder Schule.
Das sieht Dagmar Richling, Leiterin des SKFM Wülfrath, nicht anders. "Wer es mit der Armutsprävention ernst nimmt, muss da ansetzen. In den Kindergärten und Grundschulen. ,Wülfrather Kinder in Not’ leistet den einzig sinnvollen Beitrag", sagt sie. "Der Tag erhält Struktur, die Kinder eine sinnvolle Förderung und gesundes Essen. Ohne das Angebot würden einige Mädchen und Jungen schon im Grundschulalter scheitern", fügt sie hinzu.
Familienzentrum, SKFM und DRK sind sich einig, "dass wir nachhaltig nur etwas über Bildung verändern können", so Peetz. "Mit Hilfe von Spendern können wir das weiter leisten."