Frau Regh, warum sind Sie Lehrerin geworden?
Schulleiterin geht in den Ruhestand „Das Thomaeum ist eine sehr gute Schule“
Kempen · Für die Schulleiterin haben die letzten Tage am Gymnasium Thomaeum begonnen. Was sie für den Ruhestand plant.
Am altehrwürdigen Gymnasium Thomaeum in Kempen laufen schon die Vorbereitungen: Am 30. Januar wird sich die Schulgemeinde offiziell von Agnes Regh verabschieden. Dann geht Regh, die gerade 66 Jahre alt geworden ist, nach 38 Jahren im Schuldienst in den Ruhestand. Nach Stationen in Köln-Hürth, Moers und Willich-Anrath übernahm sie zum Beginn des Schuljahres 2016/2017 die Leitung des Gymnasiums in Kempen. Ein Gespräch über ihren Werdegang, die Frage, was einen guten Lehrer ausmacht, und darüber, wie sie den Ruhestand gestalten will.
Agnes Regh: Ich wusste schon sehr früh, dass ich Lehrerin werden wollte. Als ich zwölf oder 13 Jahre alt war, spielte ich schon fünf Jahre Geige. Ich ging zu meinem Geigenlehrer und sagte: „Ich muss noch Klavier lernen! Das ist das obligatorische Zusatzinstrument für Musiklehrer!“ Er lächelte. Ich komme aus einem Lehrerhaushalt, das hat mich sicherlich geprägt.
Und dann haben Sie Musik studiert?
Regh: Ja, ich habe an der Musikhochschule und an der Philologischen Fakultät Köln studiert. Als Zweitfach habe ich mich dann für Spanisch entschieden.
Warum?
Regh: (lacht) Vielleicht, weil ich spanische Gitarrenmusik so schön fand oder den Gitarristen. Und Spanien selbst: In den 70ern fuhren wir in den Osterferien an die Costa Brava. Da saßen wir dann mit vier Kindern und den Eltern in den Ferien im Auto und fuhren nonstop nach Spanien. Als Studentin habe ich mir zwei Mal eine Auszeit genommen: 1980/81 habe ich wegen der Liebe zum Land ein Jahr in Salamanca in Spanien studiert, und mit der Geige gehörte ich 1984 ein Jahr zum Zirkusorchester von Roncalli.
Sind Sie nach den Ferien gern wieder in die Schule gegangen? Oder denkt man da auch als Lehrer: Mensch, die Ferien könnten aber noch etwas länger dauern?
Regh: Nein, ich habe mich nach den Ferien immer sehr gefreut, wieder in die Schule zu gehen. Ich fand es immer sehr schön, so viele nette Menschen wiederzusehen und mit ihnen zu arbeiten. Das ist so ein toller Beruf, und ich habe an allen Schulen, an denen ich war, sehr gerne gearbeitet.
Wie haben Sie das Thomaeum vorgefunden, als Sie kamen? Was hat sich verändert?
Regh: Das Thomaeum ist eine sehr gute Schule und hatte bereits ein interessantes Profil. Das haben wir weiter ausgebaut. Und da sich gesellschaftliche Veränderungen selbstverständlich regelmäßig auch auf Schule auswirken, haben wir die damit verbundenen Herausforderungen, wie ich finde, gut gemeistert. Schule ist dynamisch und immer im Wandel begriffen. Wir müssen die Schülerinnen und Schüler immer dazu befähigen, sich auf die sich verändernde Welt einzustellen. Wir müssen sie zukunftsfähig machen. Das heißt auch, dass wir jeden mit den individuellen Stärken und Schwächen erkennen und dies in unsere Arbeit einbeziehen.
Was gefällt Ihnen am Thomaeum?
Regh: Das wunderbare und breite Profil der Schule. Und was ich hier immer herausragend fand: die Nachmittagsangebote. Kinder der Klassen 5 und 6, vereinzelt auch 7, können hier jeden Tag bis 15.45 Uhr ihre Zeit verbringen, und sie werden dabei nicht nur betreut! Das ist kostenfrei. Das Team macht das sehr gut, sorgt dafür, dass jedes Kind isst und spielt und seine Hausaufgaben macht. Zudem haben wir feste Lerngruppen mit einem fachlich spannenden Angebot. Es gibt Naturwissenschaften, Musik, Kunst oder Sport – die Kinder können ganz nach Neigung freiwillig wählen. So wird aus einer Halbtagsschule ganz schnell eine Ganztagsschule (lacht). Ich bin auch der Stadt Kempen sehr dankbar dafür, dass sie sich im Bereich der Digitalisierung gut auf den Weg gemacht hat. Die Schülerinnen und Schüler müssen lernen, Medien sicher, kritisch und kompetent zu nutzen. Die Pandemie hat das beflügelt: Im April 2020 haben wir unsere Lernplattformen aufgebaut und sind inzwischen digital gut aufgestellt. Und so geht es immer weiter. Schule entwickelt sich stetig. Ein aktuelles Beispiel: Im Bereich der Abiturprüfungen müssen die Schülerinnen und Schüler in wenigen Jahren Präsentationen halten. Deshalb ist es wichtig, dass sie früh lernen, wie man eine Präsentation erstellt und im Team arbeitet. Ich bin sehr froh, dass sich hier die Schulkonferenz entschieden hat, das ab Klasse 8 verstärkt einzubinden.
Kommen Sie zu Fuß zur Schule?
Regh: Ja, ich kann zu Fuß zur Schule laufen. Ich fahre auch schon mal mit dem Auto, wenn noch etwas ansteht, oder mit dem Fahrrad. Aber tatsächlich gehe ich auch sehr gerne zu Fuß zur Schule. Dann komme ich hier schon besonders fröhlich an.
Was gefällt Ihnen an Kempen?
Regh: Bis auf den Fluss und den Wald hat Kempen eigentlich alles. Kempen hat einen See, den Königshüttesee, auf dem meine Kinder damals Segeln lernten – ich bin dabei geblieben. Kempen hat viel Gastronomie, was ich wirklich zu schätzen weiß, und die Wege sind kurz. Viele kennen mein Gesicht, oft rufen mir die Kinder vom Fahrrad aus „Hallo, Frau Regh!“ zu, das freut mich. Eine freundliche kleine Stadt mit einem ganz hervorragenden Kulturangebot, wie ich finde! Ursprünglich stamme ich aus Duisburg, seit 1993 wohne ich aber in Kempen. Ich habe vor, hier so alt wie möglich zu werden.
Was macht für Sie eine gute Lehrkraft aus?
Regh: Das ist extrem komplex. Vom bekannten didaktischen Sechseck bis zur Gestaltung seiner zehn Dimensionen; Hilbert Meyer ist einer meiner Lieblingsdidaktiker. Hier also nur kurz: Eine gute Lehrkraft ist für mich verknüpft mit gutem Unterricht. Und der ist im Zweifelsfall auch messbar – durch Ergebnisse und eine motivierte Schülerschaft. Kinder sind ja von Geburt an neugierig. Es ist unsere Aufgabe, dieses Interesse zu halten. Klar ist, dass die Ansprüche an Unterricht deutlich gestiegen sind und sich natürlich verändert haben: Kompetenzorientierung, Inklusion, Umgang mit immer heterogener gewordenen Lerngruppen, Digitalisierung, Fake News und KI. Was zunehmend wichtig wird: das selbstständige Arbeiten zu fördern. Für die Schülerinnen und Schüler ist das für Studium und Arbeitswelt außerordentlich bedeutsam.
Was werden Sie am Thomaeum vermissen?
Regh: Wenn ich morgens reinkomme und die Schülerinnen und Schüler sind schon da und spielen Tischtennis. Da freue ich mich jedes Mal, sie zu sehen, das wird mir fehlen. Ich werde auch die Begegnungen mit so vielen wahnsinnig interessanten Menschen, großen wie kleinen, vermissen. Aber ich weiß, dass die Schule in sehr guten Händen ist.
Haben Sie schon Pläne gemacht für den Ruhestand?
Regh: Nein, nicht konkret. Ich freue mich aber darauf, mehr Zeit zum Beispiel für Musik und Konzertbesuche zu haben. Die Geige, die einst dem Bruder meiner Oma gehörte, habe ich immer noch und spiele sie auch. Leider bin ich nicht mehr in einem Ensemble. Wenn im Orchester am Thomaeum auch Erwachsene mitspielen dürfen, ich wäre dabei (lächelt). Ich freue mich besonders darauf, mehr Zeit für Begegnungen mit netten Menschen zu haben! Und: Wir werden unser Segelboot gleich zu Beginn der Saison zu Wasser lassen, nicht erst im Juli, wie letztes Jahr. Von dem Augenblick an, wo ich das Boot betrete, bin ich im Hier und Jetzt, und nur der Wind bestimmt, wie schnell ich bin.