Gesundheit Gegen das Zusammensacken im Büro

Kempen · Der Kempener Physiotherapeut Ruud Stefelmanns gibt Tipps für die richtige Haltung am Bildschirm-Arbeitsplatz.

Beim Besuch in der WZ-Redaktion berichtete Ruud Stefelmanns von der richtigen Haltung am PC.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Spätestens seit Horst Schlämmer alias Hape Kerkeling ist der Spruch „Schätzelein, isch hab Rücken“ salonfähig. Und gern genutzt, wenn einen das eine oder andere Zipperlein nach einem langen Bürotag vor dem Bildschirm quält. Dazu gibt es aber auch steifen Nacken, Mausarm und andere Probleme, wenn die Haltung und vor allem auch das Umfeld rund um den Bildschirm nicht stimmen. Und jetzt, in Corona-Zeiten, da viele Menschen Zuhause ihren Laptop fürs Homeoffice benötigen, an Küchentisch oder auf dem Sofa arbeiten, hat sich die Anzahl der Menschen mit körperlichen Beschwerden vergrößert. Das weiß Ruud Stefelmanns nur zu gut. Der Physiotherapeut und Epidemiologe betreibt seit 1985 eine Praxis in Kempen. „Mir geht es nicht nur darum, den Menschen zu therapieren, sondern seine Situation so zu verbessern, dass er beschwerdefrei wird“, erklärt Stefelmanns.

Weshalb er einen Bildschirmführerschein anbietet – eine „Rückenschule für einen bewegten Bildschirmalltag“. Das Zwei-Tage-Programm werde meist von Firmen gebucht, sagt Stefelmanns. Haltung und PC-Umfeld seien individuell. Dennoch gebe es einige Basics, die jeder für sich umsetzen kann und sich antrainieren kann. „Es geht darum, dass der Mensch eine Kompetenz erlangt, die es ihm ermöglicht, die richtige Verhaltensweise anzuwenden. Dazu gehöre jedoch auch das entsprechende Umfeld: „Auch für einen Arbeitgeber ist es sinnvoll, wenn er passendes Mobiliar und Zubehör zur Verfügung stellt. Denn kranke Mitarbeiter nützen ihm nichts.“

Ein Schreibtisch, der individuell eingestellt werden kann, sei schon Standard. Aber: „Die Höhe sollte mehrmals am Tag verstellt werden, um immer wieder andere Sitz- und Haltungspositionen einzunehmen“, sagt Stefelmanns. Höhenverstellbarer Schreibtischstuhl sowie Armlehnen, die – richtig eingestellt – eine Verlängerung der Unterarme sein sollten.  Wenn die Rückenlehne noch flexibel ist, dann kann Bewegung in den Sitzenden kommen. „Denn das starre, lange Sitzen mit konzentriertem Blick auf den Bildschirm ist nicht gut.“

Und diesen richteten viele in kerzengerader Haltung auf einer Höhe ein, die meist innerhalb weniger Minuten nicht mehr stimme. „Wer sitzt schon lange gerade? Meistens sackt man schnell in sich zusammen“, weiß Stefelmanns. Die Tastatur sollte etwa zehn Zentimeter vom Schreibtischrand entfernt sein. „Dann kommt es darauf an, ob jemand viel telefoniert oder von Notizen abschreibt“, nennt er zwei Beispiele für individuelle Arbeitssituationen. Gut sei es, Notizen auf eine Schräge zu legen. „Dafür kann man zur Not auch einen Aktenordner zu Hilfe nehmen“, so sein Tipp. Wer viel telefoniert, sollte den Apparat in gut greifbarer Nähe haben. Ein Headset erleichtere zusätzlich, sich beim Telefonieren zu bewegen.

„Einfach mal zum Fenster gehen“, so Stefelmanns weiter. Doch es gebe immer noch Arbeitgeber, die ihre Angestellten lieber am Platz wüssten. „Obwohl diese Bewegung und Veränderung gut für den Menschen ist und dadurch auch seine Effektivität gesteigert werden kann. Brillenträger, vor allem die mit Gleitsicht, sollten eine spezielle Arbeitsbrille tragen. Jede Neigung des Kopfes bedeute eine starke Belastung des Nackens. „Ein Kopf wiegt fünf Kilo. Bei einer nur 15-prozentigen Neigung, belastet er den Nacken so, als wenn er 15 Kilo wiegen würde“, rechnet Stefelmanns vor. Ginge der Kopf tiefer, könnten es schnell 25 Kilo sein. „Die Lösung liegt im Kreuz“, sagt der Physiotherapeut. Wenn man sich aufrichte, bekomme man „das Fundament wieder unter den Kopf. Also mache ich mich gerade“.

Bewegung, sogenannte Mikropausen, gehören nach Angaben des Experten auch zum Arbeitsalltag. Alleine das mehrmalige Verstellen des Schreibtisches reiche nicht. „Früher gab es noch Faxe, Drucker und ähnliches, die den Berufstätigen zwangen, aufzustehen und dorthin zu gehen“, sagt Stefelmanns. Das falle heute meist weg, da vieles auf digitalem Weg erledigt werden könnte.

Deshalb laute die Frage: „Wie komme ich in Bewegung?“ So sollte man zweimal in der Stunde aufstehen und sich kurz bewegen. Passende Übungen im Sitzen und Stehen werden beim Bildschirmführerschein vermittelt. Und Stefelmanns stellt die Frage: Warum nicht in der Mittagspause ein Besuch im Fitnessstudio möglich sein soll? Die fehlende Arbeitszeit könne ja angehängt werden.  Da gebe es noch Barrieren in den Köpfen der Beteiligten.