Flüchtlinge Rübo: „Viele kamen nur mit dem, was sie am Leib hatten“
300 Flüchtlinge leben nun im Berufskolleg. Hilfen müssen noch genau koordiniert werden.
Kempen. „Wir erleben hautnah mit, wie fertig diese Menschen sind — das sind Flüchtlinge.“ Mit diesen Worten beschrieb Kreis-Dezernent Ingo Schabrich bei der Bürgerversammlung in der Mensa der Martin-Schule den Zustand der rund 300 Menschen, die seit Sonntagabend am Berufskolleg untergebracht sind. „Viele der Menschen kamen nur mit dem, was sie am Leib hatten“, ergänzte Bürgermeister Volker Rübo. „Teilweise hatten sie keine Schuhe — darunter auch Kinder.“ Das Leid und eine „tiefe Traurigkeit“ sei ihnen anzusehen gewesen.
Sichtlich bewegt informierten Schabrich, Rübo, Hans-Georg Strompen (Ordnungsamtsleiter Kreis Viersen), Michael Klee (Beigeordneter Kempen) und Sascha Müllers (Kreispolizei) über den Stand der Dinge in der Dreifachturnhalle am Berufskolleg, Kleinbahnstraße. Damit erzeugten sie Betroffenheit, aber auch eine große Hilfsbereitschaft unter den etwa 250 Besuchern der Bürgerversammlung.
„Gibt es schon erste Überlegungen, welche Hilfen gebraucht werden?“, wollte Propst Thomas Eicker von den Verantwortlichen wissen. Diese Frage hatten viele der Anwesenenden. Eine konkrete Antwort konnte Dezernent Klee aber noch nicht liefern: „Es ist noch nicht geklärt, was benötigt wird und wie vorgegangen werden soll.“ In der kommenden Woche soll eine Internetseite freigeschaltet werden (kempenhilft.de). Eine E-Mail-Adresse sei bereits eingerichtet (kempenhilft@kempen.de).
Über diese Homepage soll gesteuert werden, was die Bevölkerung für die 300 Flüchtlinge im Berufskolleg tun kann. Aber auch für die mehr als 300 Menschen, die in anderen Kempener Einrichtungen untergebracht sind. Klee machte deutlich, dass vorerst keine „normalen“ Kleiderspenden nötig sind. „Die Lager der Malteser und der Tafel sind voll“, so Klee. „Was aber definitiv dringend benötigt wird, ist Kinderkleidung.“ Unter den 300 Flüchtlingen seien mehr als 60 Kinder unter zehn Jahren. Kinderkleidung könne bei den Maltesern, Verbindungsstraße 27, und bei der Tafel, Mülhauser Straße 111, abgegeben werden.
„Für alle weiteren Hilfen muss ich um Verständnis bitten: Das können wir erst ab nächster Woche über die Homepage steuern. Aber: Keiner, der helfen will, wird zurückgewiesen“, so Michael Klee.
Ein weiteres Thema war die „Zusammensetzung der Gruppe“ im Berufskolleg. Nach Angaben von Hans-Georg Strompen leben 210 Syrer und 65 Iraker in der Turnhalle. Hinzu kommen kleinere Gruppen aus Nordafrika, Pakistan und Bangladesh. „Es ist aber täglich Bewegung in der Gruppe. Eine fünfköpfige Familie wurde zum Beispiel schon von Verwandten aus Borken abgeholt“, so Strompen.
Nach der Aufnahme werden die Flüchtlinge zunächst mit Essen und Getränken versorgt, danach folgt die Registrierung. „Derzeit werden täglich Menschen zum Hospital zur Röntgendiagnostik gebracht“, sagte Strompen. So wollen die Behörden mögliche Infektionskrankheiten erkennen und eine Ausbreitung verhindern.
Die Verantwortlichen gingen auch auf Sorgen aus der Bevölkerung ein. „Dass einige ein gewissen Unbehagen empfinden, ist in Ordnung. Das nehmen wir ernst“, so Volker Rübo. Das Gelände wird nach Angaben des Kreises Viersen von einem Sicherheitsdienst geschützt. Zusätzlich fahre die Polizei Streife. „Das dient auch dem Schutz der Flüchtlinge vor möglichen Übergriffen“, so Polizist Müllers. Bislang gebe es aber überhaupt keine Anzeichen für rechtsradikale Bedrohungen.
Müllers riet den Bürgern, den Flüchtlingen, „die sich freizügig im Stadtgebiet bewegen dürfen“, offen zu begegnen. „Lernen Sie die Menschen ruhig kennen“, ergänzte Ingo Schabrich. Von „direkten Essensspenden“ sei aber abzusehen. „In einem Fall wurde Essen über den Zaun geworfen. Das geht natürlich nicht. Die Unterbringung ist kein Zoo“, machte Sascha Müllers klar. Daher sei es auch selbstverständlich, dass Bürger die Halle nicht „besichtigen“ dürfen. „Wir wollen erreichen, dass sich die Flüchtlinge so wohl wie möglich fühlen. Dazu gehört, dass sie jetzt zur Ruhe kommen“, so Bürgermeister Rübo.
Die Verantwortlichen zeigten sich dankbar über die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. „Und wir sind stolz darauf, was die Mitarbeiter der Verwaltungen und die Freiwilligen des DRK, der Feuerwehr und anderer Organisationen geleistet haben“, sagte Klee. Das vorderste Ziel sei erreicht: die „Verhinderung von Obdachlosigkeit“, so Rübo. Auch Landrat Peter Ottmann zeigte sich in einer Stellungnahme beeindruckt: „Ich bedanke mich bei allen Helfern.“
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