Umzug St. Martin macht in Kempen einen Werktag zum Feiertag

Tausende Zug-Gucker erfreuten sich an den wunderschönen und originellen Fackeln der Schüler.

Foto: Lübke

Kempen. Am Tag des St. MartinsZuges erwacht Kempen gegen 16 Uhr. Dann legt die Stadt die übliche Geschäftigkeit des Alltags ab und läutet in allen Straßen und Gassen der historischen Altstadt die Geselligkeit ein. Die City wird mit ein paar routinierten Handgriffen noch schöner gemacht.

Auf der Ellenstraße zum Beispiel, wo Geschäftsleute und Nachbarn eine Stunde vor Beginn des großen Zuges Stehtische rausstellen, auf Fensterbänken Teelichter anzünden und rote Lampions an die Straßenlaternen hängen, um St. Martin Franz-Josef „Jüppi“ Trienekens, seine Herolde Georg Funken und Michael Fander sowie 4000 Schüler gebührend zu empfangen. Spätestens um 16.45 Uhr ist aus diesem Werktag ein Feiertag in Kempen geworden.

Laternenpracht in Kempener Altstadt
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Laternenpracht in Kempener Altstadt

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In den Gassen innerhalb des Rings ist die Erwartung der Einheimischen und der auswärtigen Besucher — 30 000 Zuggucker waren es am Dienstag wieder — ebenso hoch wie auf der Kreuzung Ellenstraßen/Möhlenring. Dort steht Kempens Original Ferdi und regelt mit Feuerwehrkollegen den Verkehr: „Zurücktreten.“ Auf der Mülhauser Straße reitet sich derweil St. Martin eine halbe Stunde vor Zugbeginn mit Schimmelstute Primel ein, winkt nach links und rechts. Sein Helm glänzt im roten Fackelschein. Dem Mann ist die Freude ins Gesicht geschrieben.

Voller Vorfreude ist auch Heribert Welter. Er wohnt am Zugweg, erwartet Freunde und Familie zum gemeinsamen Gucken. „Das ist mein 44. Zug“, sagt der gebürtige Kempener. Er liebt ihn, weil „alle Laternen selbst gebastelt sind und die Euphorie der Kinder, daran teilnehmen zu dürfen, so spürbar ist“. Sohn Alexander (14) wird gleich mit der Erich Kästner Realschule vorbeiziehen.

Und dann laufen sie los, die Kapellen und Schulgruppen. Sie formieren sich von allen Seiten zu einem langen Zug, der für Zuschauende fast zur Reizüberflutung wird. Die Regenbogenschule etwa lässt gestiefelte Kater tanzen. Dutzende Froschkönige mit goldener Krone und goldener Kugel sind ein Blickfang.

Die Liebfrauenschule bringt Urwaldmotive mit. Die Schüler tragen Affen und Elefanten durch Kempen. Publikumslieblinge sind die Mignons, die niedlichen Stars des laufenden Kinojahres. Auch die vorbeigetragenen Indianerzelte des Luise-von-Duesberg-Gymnasiums werden begeistert beim Bürgersteigpublikum aufgenommen. Die Gesamtschule Kempen feiert einen riesigen 1. Geburtstag, den eigenen, mit Happy-Birthday-Laternen, auf denen Torten, Geschenke und Kerzen leuchten.

Spontanen Applaus und Bravo-Rufe gibt es, als fünf Schüler des Thomaeums als lebende, tatsächlich laufende Fackeln vor den bunten Kempen-Buchstaben auftauchen. Ein Leuchtturm, der von Segelschiffen begleitet wird, ein bunt-gefiederter Vogel und eine Katze, dahinter die strahlende Sonnenfrau und die kühle Eiskönigin. Nicht zuletzt diese Besonderheiten machen die Einzigartigkeit des St. Martins-Festes in Kempen aus. Sogar die rote Laterne am Schluss des Zuges ist geschmackvoll und selbst gebastelt.

Willi Schützendorf aus Mönchengladbach ist restlos begeistert. Er erlebt den schönsten Martinszug am Niederrhein zum ersten Mal. „Fantastisch! Alles!“ schwärmt er, als er den Heyerd-rink Richtung Feuerwerk an der Burg und Martinsfeuer auf dem Buttermarkt verlässt. „Das ist ein Grund zum Wiederkommen.“ Als Schützendorf das sagt, ist für die Kempener das Fest noch lange nicht zu Ende.