„Möchten etwas richtig Großes aufbauen“ AKH baut Geburtshilfe weiter aus

<irglyphscale style="font-stretch 97%;">Viersen </irglyphscale> · Eigentlich sollte man meinen, dass ein Krankenhaus mit Geburtsstation und Kinderklinik grundsätzlich freundlich zu Babys ist. Warum das AKH Viersen  jetzt aber das Zertifikat „babyfreundlich“ haben möchte.

Dilek Breuer (Pflegekraft), Nadine Holtermann-Wartmann (Hebamme), Anja Paschen (Projektleiterin) und Petra Orths-Stapper (Kinderkrankenschwester) sorgen mit den Kolleginnen und Kollegen dafür, dass das AKH das Zertifikat „babyfreundlich“ bekommt.

Foto: Martin Brock-Konzen

Die WHO und Unicef haben gemeinsam zehn Kriterien festgelegt, nach denen ein Krankenhaus als babyfreundlich zertifiziert werden kann. Dazu Richtlinien für die Unterstützung von Bindung, Entwicklung und Stillen, regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter und auch umfassende Beratungen für werdende Mütter und Väter. Mit dem neuen Chefarzt der Frauenklinik, Jens Pagels, hat sich das Allgemeine Krankenhaus (AKH) Viersen vor einem halben Jahr auf den Weg gemacht, diese Zertifizierung zu bekommen.

„Wir möchten hier wieder etwas richtig Großes aufbauen“, sagt Pagels. Mit „wieder“ meint er die Zeit, als in Mönchengladbach noch die britische Armee stationiert war. Das AKH hatte einen Exklusivvertrag mit den Briten, der dem Krankenhaus die Geburten der Armee sicherte. Deutlich über 2000 Kinder wurden damals jährlich in Viersen geboren, wenngleich die Kinder der Briten statistisch gesehen in England zur Welt kamen. Damals waren auch englische Hebammen in Viersen tätig.

Das alles gibt es heute nicht mehr. 2024 kamen im AKH 800 Babys zur Welt. Diese Zahlen möchte Pagels mit seinem Team steigern. Doch im Zuge der Krankenhausreform startete das AKH denkbar unglücklich. Denn die Listung als Perinatalzentrum mit Level 2 wurde den Viersenern zunächst aberkannt. „Es ging danach das Gerücht rum, wir würden die Kinderklinik schließen“, sagt Anja Paschen, Projektleiterin am AKH für die aktuelle Zertifizierung. „Für Level 2 haben wir gekämpft“, erklärt Pagels, der sehr froh ist, dass es dann dieses Label doch gab.

Und von Schließung kann überhaupt nicht die Rede sein. Denn am AKH soll der Bereich Frauenheilkunde und Geburtshilfe deutlich ausgebaut werden. Rund 100 Mitarbeitende sind heute für diese Bereiche schon angestellt und es sollen deutlich mehr werden. Beim Ausbau soll dann auch das Prädikat babyfreundlich helfen.

Damit das AKH ausgezeichnet wird, läuft die Arbeit auf Hochtouren. „Wir haben schon etwa 40 Mitarbeitende geschult“, erklärt Paschen. Dabei geht es auch um eine fundierte Stillberatung und um das sogenannte Bonding. Die Babys werden nach der Geburt den Müttern auf die nackte Haut gelegt. In der späteren Zeit in der Klinik kommen sogenannte Bonding-Tops zum Einsatz, die helfen können, dass die Kleinen sicher auf der Brust von Mama oder Papa liegen bleiben. Durch den direkten Hautkontakt wird die Bindung zwischen Eltern und Kindern noch gestärkt.

Das AKH erweitert zudem die Angebote rund um die Geburt. So gibt es spezifische Kurse für die Zeit der Schwangerschaft, aber auch für die ersten Monate danach. Regelmäßig gibt es im Krankenhaus das Milchcafé, zu dem Mütter eingeladen sind, die ein Baby im ersten Lebensjahr haben. „Wir haben es bewusst nicht Stillcafé genannt, weil wir auch Mütter nicht ausschließen wolle, die ihr Kind nicht stillen“, erklärt Paschen. Es gebe genug Gründe, wieso Mütter nicht stillen und die dürften nicht als Mütter zweiter Klasse behandelt werden.

Um als babyfreundlich anerkannt zu werden, folgen nach den Grundschulungen für alle Mitarbeitenden in regelmäßigen Abständen kleinere Nachschulungen. „Das wird auch kontrolliert“, sagt Kinderkrankenschwester Petra Orths-Stapper.

Im Sommer soll es dann soweit sein. Dann wird überprüft, ob das AKH Viersen alle zehn Kriterien erfüllt. Dafür werden auch werdende Eltern vor und nach der Geburt befragt. „Das ist sozusagen die Prüfung beim ,Endverbraucher‘“, sagt Paschen scherzhaft. Sie findet solche Befragungen grundsätzlich sinnvoll, weil es eine direkte Rückmeldung der Betroffenen ist. „Wir wollen hier ein familiäres Krankenhaus sein und das auch ausstrahlen und uns die nötige Zeit lassen“, sagt Pagels.

Wenn die Zertifizierung abgeschlossen ist, wird alle zwei Jahre überprüft, ob der Zustand weiter besteht. Auf einem möglichen Erfolg kann sich das AKH also nicht ausruhen. Bis es soweit ist, stehen jetzt neben den Schulungen auch noch Umbaumaßnahmen in der sogenannten Elternschule an. Dazu kommen die geplanten Neueinstellungen und neue medizinische Geräte. „Der Aufsichtsrat hat uns signalisiert, dass das alles mitgetragen wird“, über fehlende Rückendeckung kann sich Pagels also nicht beklagen.