Festspiele: Rilke und die dunkle Last des Krieges
Levi Harrison bringt mit dem Cornet eine der bekanntesten Rilke-Erzählungen auf die Bühne.
Neersen. "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke", ist eine der bekanntesten Erzählungen von Rainer Maria Rilke.
Der junge Stuttgarter Schauspieler Levi Harrison setzte diese Erzählung jetzt im ausverkauften Schlosskeller auf sehr ungewöhnliche, experimentelle, eindrückliche Weise um:
Krieg und Liebe bilden starke Kontraste und extreme Stimmungen - die Zuschauer wurden in diesen Gefühlsstrudel mit hineingerissen.
"Wein oder Blut - wer kann’s unterscheiden?" Dieser Satz war bezeichnend: Die Rastlosigkeit des jungen Kriegers, den einerseits das Unstete, Gefährliche reizt, der sich andererseits auch nach Liebe sehnt, zieht sich wie ein roter Faden durch die knapp einstündige Inszenierung.
Einige weiße Stoffbahnen, an der Decke aufgehängt, müssen als Kulisse reichen. Levi Harrison bringt sich auf vielfältige Weise ein, gibt alles:
Er erzählt, er unterstreicht die Stimmungen durch das Spiel auf seinem Cello, er gönnt sich zwischendurch ein Glas Rotwein, zieht sein Hemd aus, trägt ein seidenes Rüschenhemd.
Rilke zeichnet einerseits mit seiner Sprache sehr poetische Bilder. Andererseits gelingt es ihm, die bedrückende, dunkle Last des Krieges treffend zum Ausdruck zu bringen, und zwar so, dass der Zuschauer sich in die Handlung hineingezogen fühlt, er fühlt sich ein wenig wie im Krieg.
"Gestalten wie wandernde Nacht" begegnen ihm da, ebenso die Sehnsucht nach "einem Helm von Gold, der unruhig glänzt". Er kann sie nachvollziehen, die Phase eines Kämpfers voller Adrenalin, die ungestüme Orientierungslosigkeit, das Kampfgetümmel, aber auch seinen Überdruss, seine Furcht und seine Sehnsucht nach einer geordneten, harmonischen Welt inklusive der Sanftheit einer liebenden Frau. "Einmal die Locken offen tragen, in samtenen Sesseln sitzen", hören sie Levi Harrison sprechen.
Licht, Dunkelheit, Ruhe, Dramatik: Es sind die Gegensätze, die - wohl ganz im Sinne Rilkes - deutlich zum Ausdruck kommen. Die Novelle aus der Zeit der Türkenkriege ist voller Sprachdichte und Wortgewalt.
Dass nach knapp einer Stunde der Applaus eher verhalten ausfällt, dürfte nichts mit der enormen Leistung von Harrison zu tun haben:
Nur ist das Ende abrupt und löst eine Nachdenklichkeit aus, die frenetischen Applaus ausschließt.