Neersen: Julius Cäsar der Seitenlinie
In der Satire „Leben bis Männer“ macht der Trainer klar, warum Fußball „einfach alles“ ist.
Neersen. Nicht, dass Fußball etwas für Kultur übrig hätte. Genauso wenig wie für Frauen. Denn Fußball, "Männer, das ist alles." Das macht der Trainer schon bei der ersten Begegnung mit seiner neuen Mannschaft klar. Das ist seine erste Ansprache und sein erster Anspruch. Dem ordnet er alles unter, einschließlich sich selbst. Was den Erfolg noch lange nicht garantiert, bisweilen lächerlich bis witzig erscheint und seinem Protagonisten tragisches Scheitern nicht erspart.
Insofern ist Fußball ein gefundenes Fressen für einen Kulturschaffenden wie Thomas Brussig, der schon als Drehbuchautor der "Sonnenallee", einer DDR-Satire, deutschlandweit Beachtung fand. Auch "Leben bis Männer" ist eine Satire, hat seine Wurzeln im ehemals sozialistischen Teil Deutschlands, aber es macht auch deutlich, dass sie sich so sehr nicht unterscheiden, die Ossis und die Wessis, denn die Tragik, dass einer "nur" gehorcht und dann etwas tut, was ihm persönlich angelastet wird, die ist allgemein menschlich. Oder auch nicht.
"Die Chilenen", so der Trainer, "die haben nach dem Pinochet gesagt, Schwamm drüber". Er hat durchaus Sympathie für diese Art des Vergessens, denn dass es hier anders ist, hat seinem Team den Aufstieg gekostet.
Der Trainer, den Brussig auf die Bühne schickt, wird verkörpert von Gerhard Fehn. Und was der in den 80 Minuten über Fußball, Gott und die Welt zum Besten gibt, ist erstaunlich. Die Männer im Publikum zeigen sich angetan von seiner Fußballkenntnis, die Frauen amüsieren sich köstlich, weil jetzt so vieles verständlich wird, was bei ihnen sonst Kopfschütteln verursacht.
Da erklärt er kurz und knapp, worin die Faszination dieses Sports besteht, welche Rolle und Macht ihm selbst, "dem Julius Cäsar der Seitenlinie", zukommt - und welche er den Damen dann doch zugesteht, bei diesem Spiel, für dessen Dauer "das übrige Leben zum Erliegen kommt".
Neben allem Witz und gekonnter Satire wird deutlich, dass Fußball auch ein Ersatz sein kann, damit man(n) nicht zu den wesentlichen Dingen des Lebens vordringen und sich ihnen stellen muss. Doch der Trainer bleibt hart und wird es erneut versuchen. Mit einer neuen Mannschaft, die er wieder ins Leben führen will.