Unwetter: Angst vor noch mehr Hagel geht um
Bauern fürchten um ihre Ernte und die Autofahrer ums Wagenblech.
Willich/Tönisvorst. Schwer beladen hat Klaus Fruhen noch versucht, zu retten, was zu retten ist. Kurz vor dem Unwetter am Donnerstag hatte der Obstbauer aus Vorst seine Erdbeerkarre mit Kisten voll gepackt und war ernten gegangen. Der Regen sollte möglichst wenig Verluste fordern. Doch gegen den Hagelschauer Freitag Morgen war auch Fruhen machtlos.
Zu sprechen war er gestern nicht. "Mein Mann ist auf dem Feld", sagt Irmgard Fruhen, "die Reste einsammeln." 80 Prozent der Ernte sind zerstört. "Die noch Grünen werden wohl überlebt haben, der Großteil ist kaputt, höchstens noch zum Einkochen zu gebrauchen. Das ist bitter, wir waren ja gerade erst am Anfang der Saison." Die Landwirtin flüchtet sich in Galgenhumor. "Wir machen jetzt eine Aktion: ,Unser Schaden - Ihr Verdienst’. Die Reste taugen noch für Marmelade."
Hagelkörner würden seit Jahren immer größer, "wie Tischtennisbälle. Das ist beängstigend", sagt sie. "Eins habe ich eingefroren, als Vergleich fürs nächste Jahr." In dieser Saison kommen nur noch späte Erdbeersorten. "Zum Glück sind wir versichert. Jetzt haben wir keinen Verlust, aber auch keinen Gewinn."
Obstbauer und Fruhen-Nachbar Bernd Schumacher sorgt sich nach dem neuerlichen Unwetter um seine Äpfel. "Hageltreffer tun dem Geschmack des Apfels zwar keinen Abbruch." Aber Qualitätseinbußen in der Optik muss der Direktvermarkter hinnehmen.
Die eisigen Körner haben manche Äpfel komplett zerschlagen. Die Früchte haben deutlich sichtbare Treffer an der Schale. "Zum Glück hängen Sorten wie Pinova sehr voll, da müssen wir eh von Hand Früchte ausdünnen." Die gegenwärtige Wetterlage behagt Schumacher gar nicht. "Noch mal hageln darf es nicht."
Nach dem Donnerstag-Unwetter erwischte es gestern früh noch einmal Bewohner von Willich und St. Tönis an den Ortsrändern zu Krefeld. Scheiben wurden vom Hagel zerschlagen, Autobleche sahen aus wie gestanzt. Im Willicher Versicherungsbüro von Helmut Baumeister, Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute am Niederrhein, stand das Telefon nicht still.
Auf der Willicher Hardt musste die Feuerwehr erneut einen Keller auspumpen, der 40 Zentimeter hoch unter Wasser stand. "Und die Felder sehen aus, als sei jemand mit dem Häcksler drüber gefahren", so Wehrführer Thomas Metzer.
Noch gestern schlugen sich Bewohner in Tönisvorst mit den Folgen ihrer am Donnerstag vollgelaufenen Keller und sonstiger Wasserschäden herum. Ganze Straßenzüge waren überflutet worden.
Während St.Tönis fast verschont blieb, musste die Feuerwehr in Vorst 57-mal ausrücken. Da die Einsatzkräfte nicht überall gleichzeitig sein konnten, halfen sich Nachbarn untereinander. Andere hatten Glück. "Vor 14 Tagen hatten wir unseren Keller erst renoviert, reingelaufen ist zum Glück nichts", erzählt Herbert Langen, Anwohner der Hauptstraße in Vorst.
Sauer ist er aber auf Autofahrer, die trotz der Wassermassen weiter Gas gaben. "Bis in den ersten Stock ist das Wasser gespritzt." In der Gaststätte "Alt-Vorster Krug" stand das Wasser im Wirtsraum.
Die Schadensliste der Stadt Tönisvorst musste nicht verlängert werden. Glück im Unwetter: Durch die Glaskuppeln der Rudi-Demers-Halle und der Hauptschule Kirchenfeld tropfte es nur ins Innere. In der Zentrale der Stadt Willich meldeten sich bei Brigitte Dammer auch gestern noch etliche Bürger am Telefon, berichteten von hochgedrückten Gullydeckeln und Rückstau in ihren Häusern durch überflutete Kanäle. Die Bauhof-Mitarbeiter kontrollierten vor allem die Senken.