Milchbauern machen Ernst
Die Landwirte beliefern Molkereien nicht mehr. In Vorst informierte Peter Joppen über die Aktion.
Vorst. "Die nächsten Liter", meint Peter Joppen lakonisch, hebt die große Plastikmilchkanne von der Schubkarre und kippt sie in den 30 Meter langen Futtertrog, der sich durch den Stall zieht. Wo sonst Silage liegt, macht sich ein Milchfluss breit. Die Bullen hinter der Absperrung heben ihre Köpfe in das ungewohnte Futter und trinken. Während Joppen die Schubkarre mit leerer Kanne über den Hof zurück zu seinem Milchtank fährt, kommt Mitarbeiter René Rosenbaum mit zwei hochgefüllten Zehn-Liter-Eimern vom Tank. Auch er wandert in Richtung Bullenstall. "Das reicht jetzt. Mehr bekommen sie nicht. Sie kennen das ja gar nicht als Futter", ruft Joppen im Vorbeigehen.
Statt in den Molkereiwagen geht die Milch zur Fütterung und in die Gülle. Ein großer Teil der Milchbauern ist in den Milch-Lieferstopp getreten. Sie beliefern die Molkereien nicht mehr. Über die aktuelle Situation informierte Joppen nun bei einem aktuell ins Leben gerufenen Tag des offenen Hofes. "Wir suchen das Gespräch mit den Verbrauchern und werben um deren Verständnis."
Am Milchtank angekommen koppelt er den Milchschlauch an. Normalerweise würde jetzt der Milchwagen kommen und den 4400 Liter Edelstahltank leer machen, doch stattdessen hängt der Landwirt das Schlauchende in den Schacht, der zum Güllekeller führt. "Das habe ich noch nie praktiziert. Gut produzierte Milch in die Gülle laufen lassen, das tut in der Seele weh", sagt er mit brüchiger Stimme.
Aber er ist nicht der einzige Milchviehhalter, der dies seit einigen Tagen durchführt. Die Senkung des Milchpreises hat sie zu der Aktion gezwungen. Er fiel von knapp über 40 Cent im Dezember 2007 auf durchschnittlich 32 Cent. "Es geht nicht mehr. Die Molkereien sind nicht in der Lage, bei den Einzelnhändlern vernünftige Preise durchzusetzen. Sie unterbieten sich und das zu unseren Lasten", erklärt Joppen.
Mit den 32 Cent pro Liter Milch können die Landwirte die Grundkosten nicht decken. Das ergibt auch die Vollkostenrechnung des Bundes der Deutschen Milchviehhalter: 43 Cent würden den Grundpreis decken.
"Es ist ein Scheißgefühl. Mir dreht sich der Magen rum, wenn ich meine Milch wegschütte", sagt Hans-Peter Rippers aus Vorst. Der Landwirt hat sich zusammen mit anderen betroffenen Milchviehhaltern auf dem Hof von Joppen eingefunden. Aber genau wie die übrigen Milchviehhalter sieht er keine andere Möglichkeit mehr, auf die Situation der Landwirte aufmerksam zu machen, außer dem Bestreiken der Molkereien.
"Ich denke ab heute wird es langsam aber sicher zu Engpässen bei Milchprodukten kommen. Die Molkereien im Ausland werden von Berufskollegen teilweise mitbestreikt, so dass von dort auch keine Milch zu erwarten ist", sagt Joppen. Aber je früher die Regale leer seien, umso eher bestünde Verhandlungsbereitschaft bei den Partnern. Mittlerweile ist der Tank leer gelaufen. Joppen koppelt ab. "Morgen früh geht das Elend wieder los", seufzt er voller Resignation.