Kritik an Sparplänen beim Rheinland Klinikum „Ein Vorgehen mit der Brechstange“

Dormagen · Die Bürgermeister von Dormagen, Rommerskirchen und Grevenbroich laufen Sturm gegen den Zeitplan bei der Umstrukturierung des Rheinland Klinikums. Was die Verwaltungschefs besonders verärgert.

Kämpferisch zeigen sich die Bürgermeister Martin Mertens, Klaus Krützen, Erik Lierenfeld (3., 4. und 5. v.l.). Gemeinsam mit anderen Akteuren signalisieren sie: „Wir geben nicht auf!“

Foto: Andrea Lemke

Die geplante Schließung der Geburtsstation in Dormagen und der Notfallambulanz in Grevenbroich – für viele Menschen im Süden des Rhein-Kreises sind diese Maßnahmen ein Schlag ins Gesicht. Heinz Hilgers, Mitinitiator der Initiative „Ja zur Geburtsstation“ und ehemaliger Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, bringt die Kritik auf den Punkt: „Es wird überall im Lande an unseren Kindern gespart. In Kitas funktioniert vielerorts nichts mehr, das Schulsystem wird immer schlechter und jetzt fängt man schon an, im Mutterleib zu sparen.“

Das Rheinland Klinikum plant, die Notfallambulanz in Grevenbroich in den kommenden Monaten zu schließen. Die Geburtsstation in Dormagen soll bereits zum 1. April und die Gynäkologie im Juni nach Neuss verlagert werden. Das hatte der Lenkungsausschuss des Rheinland Klinikums am 15. Januar bekanntgegeben. Damit dieser Zeitplan umgesetzt werden kann, muss sich das Rheinland Klinikum noch mit dem Gesundheitsministerium in Düsseldorf abstimmen. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass das Land keine Einwände gegen die Pläne haben wird.

Der Weg für werdende Mütter verlängere sich damit erheblich, moniert Hilgers. Ein Aspekt, der nicht nur mit logistischen Herausforderungen verbunden sei, sondern auch direkte Auswirkungen auf die Sicherheit natürlicher Geburten haben könne: Eine solche lasse sich nicht planen. Deshalb habe auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gesagt: „Was schnell gehen muss, muss vor Ort bleiben“, so Hilgers. Dazu gehöre im Zweifel auch eine Geburt. Knie- und Hüftoperationen könnten ruhig weiter weg durchgeführt werden.

Jenny Goergens, Mitinitiatorin des Bündnisses für den Erhalt der Notfallambulanz in Grevenbroich, kritisiert die Entscheidungen ebenfalls scharf: „Am Ende entscheidet immer die Kohle. Und ich habe das so satt.“

Lautstarke Unterstützung bekommen Hilgers und Goergens von den Bürgermeistern aus Grevenbroich, Dormagen und Rommerskirchen. Die geplanten Umstrukturierungen seien ein „Vorgehen mit der Brechstange“, kritisiert etwa Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld. Und sein Grevenbroicher Amtskollege Klaus Krützen klagt: „Es wird versucht, ohne Rücksicht auf die Bürgerinnen und Bürger Fakten zu schaffen.“ Dass die Notfallambulanz in Grevenbroich nachts bereits für den Rettungsdienst nicht mehr verfügbar ist, sieht er als Zeichen für den schrittweisen Abbau der medizinischen Versorgung im Rhein-Kreis Neuss.

Durch die Schließung würde es mehr Kaiserschnitte geben

Die Initiative „Ja zur Geburtsstation“ und das Bündnis für den Erhalt der Notfallambulanz kämpfen daher mit allen Mitteln gegen die Pläne. „Wir greifen den Beschluss an. Dies geschieht durch ein Bürgerbegehren“, sagt Hilgers. Der Hintergrund: Der Kreistag hatte ursprünglich beschlossen, die Geburtsstation erst 2026 zu schließen – nun soll es plötzlich schon 2025 so weit sein. „Damit hat sich schon etwas in den Fristen geändert“, sagt Hilgers. „Wir wollen den Beschluss kassieren.“

Die Schließung hat laut Hilgers auch noch andere Folgen: Wenn die Entfernungen zwischen den Geburtskliniken zu groß würden, steige zwangsläufig die Zahl der geplanten Kaiserschnitte – auch ohne medizinische Notwendigkeit. „Das bringt den Kliniken mehr Geld, bedeutet aber ein höheres Risiko für Mütter und Kinder“, meint Hilgers. Denn so ein Eingriff sei eine große Operation. Die Fehlentwicklung dahinter sei, dass natürliche Geburten nicht gut finanziert werden.

Die drei Bürgermeister sehen zudem die medizinische Versorgung ihrer Kommunen gefährdet. Besonders Rommerskirchen, das zusätzlich von der Schließung des Krankenhauses in Bedburg betroffen ist, wird durch die Pläne stark belastet. Bürgermeister Martin Mertens sagt: „Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger an einer adäquaten Gesundheitsversorgung spielen für die Entscheidungsträger längst keine Rolle mehr.“ Versprechungen, die Bevölkerung in die Entscheidungsprozesse einzubinden, wurden nach Ansicht der Kritiker nicht eingehalten. „Die Kommunikation ist ein Desaster“, kritisiert Erik Lierenfeld. „Demokratische Prozesse werden ausgehebelt, und die Menschen werden vor vollendete Tatsachen gestellt.“

Für die Bürgerinitiativen steht fest: Sie werden weiterkämpfen. „Wir geben den Müttern und Familien eine Stimme und wollen den Beschluss rückgängig machen“, so Hilgers. Dass dies nicht leicht wird, ist allen Beteiligten bewusst. Doch die Botschaft an das Rheinland Klinikum und die Verantwortlichen ist klar: „Wir machen weiter.“

Nicole Rohde, Geschäftsführerin des Rheinland Klinikums, hatte im Nachgang zur Sitzung des Lenkungsausschusses die Entscheidung unter anderem wie folgt erläutert: „Der Abbau der Doppelstrukturen eines 24/7-Kreißsaal-Betriebs an zwei Standorten ist aufgrund der insgesamt bundesweit weiter sinkenden Geburtenrate weiterhin angezeigt und eine Maßnahme, die den Gesellschafter-Beschlüssen vom September Rechnung trägt.“ Die Geburtshilfe des Klinikums räumlich an eine Kinderklinik anzugliedern, mit einem Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe, sichere zudem die qualitativ hochwertige Versorgung von Schwangerschaften und Risikoschwangerschaften im gesamten Rhein-Kreis Neuss.