Vortragsreihe Kaarster Stadtgeschichte am Abend Vom kleinen Hof zur industriellen Landwirtschaft

Kaarst · In der Reihe „Stadtgeschichte am Abend“ ging es im VHS-Haus um die Entwicklung der Landwirtschaft von 1930 bis 1960. Professor Ernst Langthaler skizzierte die Entwicklung als eine „Revolution in Etappen“.

Ernst Langthaler von der Johannes-Kepler-Universität in Linz hielt einen Vortrag über die Entwicklung der Landwirtschaft.

Foto: Andreas Woitschützke

Eine Revolution in Etappen – das trifft den Kern der Entwicklung der Landwirtschaft im Rheinland zwischen 1930 und 1960. Fotos von der Feldarbeit in den 1930er-Jahren und von ersten kleinen Traktoren in den 1960er-Jahren dokumentieren, wie sehr sich die Feldarbeit verändert hat. Im Rahmen der Reihe „Stadtgeschichte am Abend“, gemeinsam veranstaltet von VHS, Stadtarchiv und LVR, stand am Dienstag das Thema „Agrarpolitik, Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutschland zwischen 1930 und 1960“ auf der Agenda. Dazu war Ernst Langthaler, Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Linz, eingeladen worden.

Was von der Überschrift leicht langweilig klang, entpuppte sich schnell als eine spannende Aufklärung über entscheidende Entwicklungen. Auf jeden Fall machte der Vortrag klar, wie sehr die Landwirtschaft stets ideologischen oder staatlichen Eingriffen unterliegt, nicht nur in der NS-Zeit, sondern auch den divergierenden Entwicklungen nach 1945 in Bundesrepublik und DDR. Leider hatte das Thema nicht so gezogen. Das Publikum war an diesem Abend etwa nur halb so groß wie an anderen Abenden zur Stadtgeschichte.

„Kappes, Kartoffeln, Kaarst“: Mit diesem Dreiklang führte Anja Weingran, stellvertretende Bürgermeisterin, ins Thema ein. Sie wies darauf hin, dass die Höfe, die einst in die Ortschaften integriert waren, im Laufe der Zeit immer mehr an die Peripherie verlagert wurden. Selbst Professor Langthaler hatte bei der Anfahrt nach Kaarst wenig Landwirtschaft entdecken können. Maschinisierung, Kunstdünger, Massenproduktion, EU-Subventionen – solche Stationen sind für den Zuhörer heute „normal“.

Entwicklung hin
zu Spezialisierung

Der Vortrag rief diese Veränderungen der Landwirtschaft ins Bewusstsein. Stand 1930 war die Landwirtschaft von Sonne, intensiver Arbeitskraft und Diversifizierung geprägt. Über mehrere Jahrzehnte entwickelte sie sich hin zu fossiler Energie, Kapitaleinsatz und Spezialisierung.

Aber schon 1930 sah die Landwirtschaft im Deutschen Reich unterschiedlich aus. Im Rheinland waren viele kleine, stark häuslich geprägte Bauernhöfe die Regel, während im Osten des Reiches eher große Gutshöfe das Bild prägten. Die große Politik prägte immer schon die Landwirtschaft, etwa die Weltwirtschaftskrise 1929, die zu Preisverfall und Verschuldung führte. Damals entstand auch der antidemokratische Verband „Grüne Front“. In der NS-Zeit ab 1933 gab der „Reichsnährstand“ als Zwangsverband den Ton an. Gefördert wurde der Anbau von Ölfrüchten wie Raps. Ab 1945 musste die Landwirtschaft mit dem Arbeitskräftemangel umgehen. Im Osten gab es eine Bodenreform: „Junkerland in Bauernhand“. In West wie Ost wurden Rüstungsressourcen umgewandelt: Traktoren statt Panzer, Pestizide statt Kampfgase.