Kunstwerk im Kaarster Rathaus Wird das Schwalbennest abgebaut?
Kaarst · Weil die Brandmeldeanlage defekt ist und statische Überprüfungen seit 30 Jahren versäumt wurden, überlegt die Stadt, die Installation „Bürgerschwalbennest“ von der Künstlerin Martel Wiegand entfernen zu lassen. Dagegen formiert sich Widerstand.
Bilderstürmer im Rathaus? Wenn es nach der Stadtspitze geht, soll die Kunstinstallation „Bürgerschwalbennest“ im Atrium des Rathauses verschwinden. Helmut Blochwitz, der die Künstlerin Martel Wiegand beim Stelenprojekt im Stadtweiher und auch das Schwalbennest von Anfang an begleitete, stellte in der Dezember-Sitzung des Kulturausschusses als Kaarster Bürger die Frage, warum das Kunstwerk mit einer Barke abgesperrt ist. Bürgermeisterin Ursula Baum informierte in der Sitzung dann darüber, dass die Statik der begehbaren Plastik geprüft werden müsse und die Brandmelde-Sprinkleranlage defekt sei. Für eine Reparatur sei angesichts der Haushaltsproblematik kein Geld da.
Die Installation entstand 1994 beim Bau des neuen Rathauses. Der Bau im Zentrum von Kaarst, von der Grundsteinlegung im Jahr 1992 bis zur Einweihung im Jahr 1994, wurde von der Stadt durch das Kunst-am-Bau-Projekt „Zur Mitte hin“ begleitet. Dieses Projekt wurde von der in Kaarst lebenden Künstlerin und Hochschullehrerin Martel Wiegand konzipiert und in Zusammenarbeit mit dem Philosophen Helmut Blochwitz realisiert. Das Projekt beinhaltet Kunstfahnen für den Festakt der Rathauseinweihung, den „Gläsernen Grundstein“ im Atrium, das „Spatenobjekt“, das „Bürgerschwalbennest“ in der dritten Etage des Rathauses sowie die Stelen im Stadtsee. Bei der Installation handelt sich um eine begehbare Plattform, auf die aus Holzstäben ein „Nest“ aufgesetzt wurde. Linoldrucke von rund 200 Kaarster Bürgern wurden daran befestigt.
Das Kunstwerk hat damals die Sparkassenstiftung Kaarst-Büttgen finanziert und der Stadt als Dauerleihgabe übereignet. Auf Nachfrage war von der Sparkasse Neuss als Rechtsnachfolger zu erfahren, dass die Stadt Kaarst das gestiftete Kunstwerk jetzt zurückgeben wolle – aus Sicherheitsbedenken und fehlenden Mitteln für die Instandsetzung. Dabei seien aber noch viele Punkte zu klären – etwa zum Urheberrecht. Was sagen die Erben der Künstlerin, die 2006 verstarb? Könne man das Kunstwerk überhaupt abbauen, ohne es zu zerstören? Ein Stadtsprecher bestätigte, es fehlten statische Unterlagen und die Brandmeldeanlage funktioniere nicht mehr. Wahrscheinlich müsse das Kunstwerk „zurückgebaut“ werden, wo und wie das Kunstwerk danach aufgestellt werde, liege in der Entscheidung der Sparkasse. Seit der Bauabnahme 1994 seien keine weiteren Prüfungen erfolgt. Das Kunstwerk ist im dritten Stock aufgehängt, es schwebt auf drei Holzträgern 15 Meter über Grund.
Die Sparkasse findet die Rückgabe zwar bedauerlich, aber Sachgründe zwängen dazu. CDU-Fraktionsvorsitzender Ingo Kotzian sieht den Vorgang als ein Geschäft der laufenden Verwaltung, also als eine Routineangelegenheit. Die Entscheidung liege bei der Bürgermeisterin als Kulturdezernentin. Marianne Michael-Fränzel (Grüne), Mitglied im Kulturausschuss, antwortete ähnlich: „Für das Schwalbennest ist die Verwaltung zuständig und auch wir können nur weiter auf ein Resultat warten.“ Dagegen klagt Dagmar Treger (CDU), Vorsitzende des Kulturausschusses: „Mit Anfragen sind wir bis jetzt nicht weitergekommen.“ Ursula Baum beziehe bei solchen Maßnahmen weder den Kulturausschuss noch den Rat ein.
Helmut Blochwitz ist entsetzt über die mögliche Demontage: „Als Teil der Architektur ist der Abbau eine Torheit. Das Gesamtbild des Innenraums wird zerstört.“ Doch es formiert sich bereits Widerstand: Für den Erhalt des Kunstwerks will sich die SPD-Fraktion stark machen. Göran Weßendorf, stellvertretender Vorsitzender des Kulturausschusses, setzt sich dafür ein. In der Politik sei niemand vorher gefragt worden. Jetzt werfe die Bürgermeisterin 43 000 Euro Kosten in den Raum. Damit keine Tatsachen geschaffen werden, will die SPD-Fraktion schnell einen entsprechenden Antrag formulieren. Auch die kulturpolitische Sprecherin der FDP, Astrid Werle, will die Kosten geprüft sehen. Für sie ist das Kunstwerk „ein Herzstück im Rathaus“: „Das Kunstwerk wegschmeißen, geht überhaupt nicht.“