Nachbarschaft in Meerbusch Feiern mit der Fahne von Winnendonk

<irglyphscale style="font-stretch: 97%;">Büderich </irglyphscale> · Der Winnendonk ist ein kleines Sträßchen mit einem besonderen Ritual. Bewohnerin Fini Jennes hält es in Ehren. Der Brauch verbindet die Nachbarschaft.

Fini Jennes erzählt, was es mit der Fahne auf sich hat.

Foto: Regina Goldlücke

„In diesem Haus habe ich meinen ersten Atemzug getan“, sagt Fini Jennes. Und fügt mit einem feinen Lächeln dazu: „Und hoffentlich auch meinen letzten.“ Betrachtet man die vielen Aktivitäten der Büdericherin, wünscht man ihr noch viele Jahre in Gesundheit. In vier Monaten wird Fini Jennes 88 Jahre alt. Sie malt, sie modelliert Skulpturen aus Holz – und sie hütet eine Tradition ihrer Straße. Der Winnendonk zweigt vom Hohegrabenweg ab und endet als Sackgasse an einem Feld. Er weist eine Besonderheit auf: die Verbundenheit und den Zusammenhalt seiner Bewohner. Sogar eine eigene Flagge hat das 270 Meter lange Sträßchen. Bei Fini Jennes ist sie gut aufgehoben. Sie kennt alle Geburtstage ihrer Nachbarn. Ist es wieder soweit, wird das jeweilige Haus mit der Fahne geschmückt.

Dahinter steckt eine rührende Geschichte, die 1937 begann. Fini Jennes erzählt sie in der jüngsten Ausgabe des Generationenmagazins MeerBlatt, überschrieben mit „Eine Nachbarschaft setzt Zeichen.“ Ihre Eltern waren die ersten, die am Winnendonk ihr Haus bauten, fast gleichzeitig mit Familie Wienands. Beide brachten es zusammen auf 14 Kinder, drei von Jennes, neun von Wienands. Gemeinsam verlebten sie eine unbeschwerte Kindheit, spielten ungehemmt auf der Straße, nur selten einmal kam ein Auto vorbei. Mit der Zeit kamen weitere Häuser und damit Nachbarn hinzu.

Die Tradition der Winnendonk-Fahne geht aufs Jahr 1953 zurück. „Meine Schwester heiratete, sie und ihr Mann hatten da schon gegenüber unseres Elternhauses ihr eigenes Heim gebaut“, berichtet Fini Jennes. „Einziehen durften sie aber erst als Ehepaar, darauf bestand mein Vater. Vor der Hochzeit bewohnte die Architektin Ingeborg Werner ein Zimmer des Hauses. Sie fertigte die Fahne an, als ihr Geschenk zum Fest.“ Bald war der Brauch begründet, bei allen Feierlichkeiten in der Straße, ob Kommunion, Konfirmation oder Geburtstag, die Fahne als Gruß und Glückwunsch der Nachbarschaft in den Vorgarten zu stellen. „Früher behielt man sie nach dem Fest immer im Haus und reichte sie an die Nächsten weiter“, sagt Fini Jennes. Später hat es sich ergeben, dass sie allein die Fahne in ihrer Obhut und die Daten der runden und halbrunden Geburtstage im Kopf hat.

Viele Familien wohnen schon seit Jahrzehnten am Winnendonk, zu feiern gab es reichlich. Seit 1953 hat Fini Jennes eine stattliche Liste aller Hochzeiten geführt. Darauf finden sich 39 Grüne, elf Silberne, fünf Goldene, drei Diamantene, zwei Eiserne und zwei Gnaden-Hochzeiten. Die Feste sind verbunden mit schönen Erinnerungen, etwa an die Goldhochzeit 1980 im Hause Wienands. „Die Nachbarn bauten eine Tribüne auf, es gab einen Fackelzug mit Fanfarenkapelle, und die Winnendonk-Fahne immer vorneweg“, erzählt Fini Jennes. Auch die Straßenfeste sind ihr unvergesslich, am liebsten würde sie 2025 wieder eines anregen. Allerdings leben nur wenige junge Familien am Winnendonk, die älteren Bewohner könnten das kaum noch organisieren, bedauert sie.

Fini Jennes war Vorstandssekretärin bei Mannesmann, arbeitete danach im Düsseldorfer Architekturbüro RKW. Auf Großbauten kam sie in ganz Deutschland herum. Im Rentenalter entwickelte die agile Dame ihre künstlerischen Talente weiter. Flur, Wohnzimmer und selbst die Treppe ins Obergeschoss, wo ihr Neffe wohnt, sind dicht befüllt mit beeindruckenden Skulpturen. Sie zeigt eine Echse aus Lindenholz, eine Schnecke, eine Schildkröte und eine Katze aus brasilianischem Azul. „Das ist harter Blaustein, härter als Granit, dafür brauche ich Diamantwerkzeuge“, erklärt sie. Hat sie sich das alles selbst beigebracht? „Jein“, antwortet Fini Jennes. „Seit 13 Jahren gehe ich jeden Freitag ins Atelier des Bildhauers Peter Rübsam.“ Im Wohnzimmer steht eine Staffelei, auch die Bilder in ihrem Haus hat sie selbst gemalt. Fini Jennes ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie jung man bleiben kann durch Kreativität. Neuerdings macht ihr das Schreiben fürs MeerBlatt große Freude, gerade arbeitet sie schon an ihrer nächsten Geschichte. Auch sie hat wieder mit dem Winnendonk zu tun.

(go stz)