Dormagen: Langsamer ist nicht schlechter

In einem gemeinsamen Programm geben Bayer, Lanxess und Currenta Jugendlichen eine Chance, die keinen Ausbildungsplatz haben.

Dormagen. Fordern und fördern: Starthilfe-Programm nennt sich das durch die Unternehmen Bayer, Lanxess und Currenta geförderte, mehrfach ausgezeichnete Projekt. Das gibt jungen Menschen eine zweite Chance, die sich im Chempark bewerben und dort im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz bekommen.

Johnny Nolting, Teilnehmer des Starthilfe-Programms

Johnny Nolting gehörte zu einem der rund 40 Jugendlichen, die jedes Jahr in das Programm aufgenommen werden. Heute ist er im ersten Lehrjahr zum Chemikanten.

In seinem Leben hat der heute 18-Jährige nicht immer viel Glück gehabt. "In der Schule lief es bei mir nicht so gut", sagt er. Bei Bayer hat er sich dann um einen Ausbildungsplatz beworben. "Eigentlich war mir schon im Vorstellungsgespräch klar, dass ich die Lehrstelle nicht bekomme", erzählt Nolting.

An den Schlüsselqualifikationen hat es gefehlt, hatte man ihm gesagt. Bei den meisten Firmen wäre das Gespräch damit beendet gewesen. "Doch die haben mir das einjährige Starthilfe-Programm angeboten. Mit der Chance, mich dann erneut für den Ausbildungsplatz bewerben zu können", sagt Nolting.

Ausbilder Norbert Weingarten hatte damals das Gespräch mit dem jungen Mann: "Ich hab gemerkt, dass er gut ist, was drauf hat und lernen will. Ihm fehlte aber einfach noch viel, um dann auch in der Berufsschule zu bestehen."

"Das war die beste Entscheidung in meinem Leben", sagt Nolting heute. Er ist überzeugt, dass er den Beruf anstrebt, den er sein Leben lang machen möchte.

Der Grund: Er hatte im Rahmen des Programms ein Jahr lang Zeit, sich zu orientieren. Mit Einblicken in verschiedene Arbeitsbereiche innerhalb der Firmen im Chempark und durch Praktika bei Partnerunternehmen. "Fehlende Grundlagen dürfen kein abschließender Grund sein, einem jungen Menschen keine Chance zu geben und sich selbst zu überlassen", sagt Weingarten. Seit zwei Jahren ist er nun für das Projekt verantwortlich.

"Jeden Tag erfahre ich aufs Neue, dass Lernen nicht nur das Vermitteln von Wissen ist", sagt der Industriemeister. Denn neben dem Unterricht in der Berufsschule, in der ganz nach Bedarf die Schwächen nachgearbeitet werden, gehen die Ausbilder individuell auf ihre Schützlinge ein.

So genannte Teambuilding-Maßnahmen gehören genauso dazu wie Kunstpädagogik. So kommt es auch vor, dass sich 40 Ausbildungsplatzanwärter über ein Bild von Henry Matisse unterhalten oder eine riesige Holzburg für einen Kindergarten bauen.

"Das war toll. Nie hätte ich mich früher mit sowas beschäftigt. Ich habe hier gemerkt, dass ich sehr kreativ und vielseitiger bin, als mir meine Lehrer immer eingetrichtert haben", sagt Johnny Nolting.

Schon von diesem Satz ist Ausbilder Weingarten begeistert. "Der Sprung, den der Junge hier in einem Jahr gemacht hat, ist unglaublich. Wenn ich mich daran erinnere, wie wir hier vor über einem Jahr zusammensaßen. Da war eine solche Kommunikation nicht möglich."

Doch nicht nur die Teilnehmer habe das Projekt verändert. "Ich habe gemerkt, dass in jedem Jugendlichen Potential steckt, dass jeder hier ein wundervoller Mensch mit wahnsinnig tollen Fähigkeiten ist", sagt Weingarten. Er habe gelernt, dass es kein Nachteil sein muss, wenn jemand etwas langsamer ist.

Vertrauen aufbauen, den Jugendlichen die Angst davor nehmen, Vertrauen aufzubauen, auch dafür ist das Starthilfe-Programm gedacht.

"Das Projekt ist keinesfalls auf junge Leute beschränkt, die einen der Chemie-typischen Berufe erlernen wollen" erklärt Weingarten: "Wir hatten schon Leute, die sind in Richtung bildender Kunst hier rausgegangen."

Trotz Vermittlungsquoten von aktuell 92 Prozent in einen Ausbildungsplatz, ein Freifahrtsschein ist das Programm nicht. "Die Absolventen müssen sich ganz normal mit dem nächsten Jahrgang messen", sagt Norbert Weingarten. Aber dafür sie bestens vorbereitet.