Neuss: Ein Blick hinter die Theaterkulissen

Im Rheinischen Landestheater wurde unter anderem öffentlich der Klassiker „Endstation Sehnsucht“ geprobt.

Neuss. Sonntagnachmittag, 14.30 Uhr im Rheinischen Landestheater. Beim Theaterfest wird öffentlich die neue Inszenierung von Tennessee Williams Klassiker "Endstation Sehnsucht" geprobt. Auf der Bühne spielen drei Akteure lustlos Poker, die Partie endet in einer ebenfalls recht unmotiviert wirkenden Schlägerei.

"Ich weiss es nicht, wie es Ihnen geht, aber ich wäre fast eingeschlafen", sagt der Mann mit der Brille und den riesigen Koteletten ins Mikrofon, steht aus dem Zuschauerraum auf und trabt auf die Bühne. "Und die Kneipenschlägerei habe ich während des Schützenfestes schon besser gesehen. So geht das nicht. Holt mal die Surfbretter."

Pflichtschuldig verschwinden die drei Schauspieler des Neusser Ensembles hinter der Bühne und kehren mit hölzernen Surfbrettattrappen zurück. Was als langweiliges Pokerspiel begann, wird zu einer Persiflage auf die chronische gute Laune der Amerikaner, untermalt vom Beach Boy-Evergreen: "Surfin USA".

Der Mann mit der Brille und den Koteletten heißt Dominik Günther (34). Der freie Regisseur lebt in Hamburg und inszeniert am RLT in diesem Jahr "Toquato Tasso" von Goethe und "Endstation Sehnsucht".

Es sei natürlich nicht seine Absicht gewesen, eine Probe Eins-zu-Eins nachzustellen, sagt Günther. "Manchmal sitzen wir eine Stunde lang am Tisch und diskutieren über die Lesart des Textes, das wäre für die Zuschauer natürlich uninteressant", ergänzt Ensemble- Mitglied Hergard Engert aus Graz.

"Unsere Absicht war es, den Zuschauern eine Vorstellung davon zu geben, wie eine Probe abläuft, sie aber gleichzeitig zu unterhalten und zu motivieren wiederzukommen." Gemessen an der Reaktion der Zuschauer im fast vollen Saal des RLT ist das gelungen.

Neben der Probe gibt es noch eine Vielzahl anderer Programmpunkte, unter anderem Lesungen von Hüsch und Esche Texten, die Möglichkeit hinter die Kulissen des Theaters zu blicken oder RLT-Intendantin Schankow aus dem Alltag einer Theatermacherin berichten zu hören. Strickbegeisterte kann nach dem Muster "kraus rechts" an dem Schal für die Requisite des diesjährigen Theatermärchens "Das rote Schaf" mitstricken - esist für jeden Geschmack etwas dabei.

Und wer gerne wissen möchte, wie "Surfin USA" und Williams melancholisches Stück über geplatzte Träume zusammenpassen, kann sich in zwei Wochen die Premiere ansehen.