Neuss: Ein gnadenloser Rächer fordert sein Recht

Die Shakespeare Company zeigte „Der Kaufmann von Venedig“.

Neuss. "Der Jude", schreien sie ihn an, "der Jude!" Erbittert, verzweifelt, unfähig, Antonio zu helfen, denn Shylock will nur eins: Sein Recht. Doch Shylock ist in dieser klaren, überaus stimmigen Inszenierung von "Der Kaufmann von Venedig" von Nora Somaini für die Bremer Shakespeare Company nicht der ewige Jude. Peter Lüchinger gibt ihn großartig als Manager, der gekränkt, gedemütigt, nicht anerkannt ist und nun endlich Rächer ("Warum? Ich bin ich!") sein kann: Ein gnadenloser Rächer im Recht.

Die Shakespeare Company hat das Werk um den reichen Kaufmann Antonio, der sorglos für die Brautwerbung des Freundes vom Kredithai Shylock ein Darlehen erbittet und zum Pfand ein Pfund seines Fleisches gibt, prägnant umgesetzt. Venedig?

Eine Metapher. Statt eines Kanals auf der Bühne ein plastik-verkleideter Paravent, der zum Haus des Shylock wird, zur Sauna - da werden die Geschäfte gemacht -, zum Gerichtssaal. Auf der Bank im Hintergrund bleiben die sechs Schauspieler die ganze Zeit über präsent, ziehen sich um, warten den nächsten Auftritt ab.

Die Inszenierung ist gewohnt rasant, mit überraschenden Regie-Einfällen und einer gewöhnungsbedürftigen Video-Installation, und doch trotz aller Dynamik zurückgenommener als andere Aufführungen der Bremer. Hier geht es um Geld und Geschäfte, um Kränkungen und Rache, Triumph und Absturz.

Und um Liebe? Auch, denn nicht nur das heiße Werben des Bassanio um seine selbstbewusste Portia ist wunderbar veranschaulicht, auch die tiefe, sehr tiefe Freundschaft von Antonio und Bassanio wird deutlicher als in anderen Inszenierungen.

Im Mittelpunkt steht aber dennoch Shylock, in seiner Zerrissenheit großartig dargestellt von Peter Lüchinger. Ob lässig, kühl und überlegen, kurzzeitig im Gram, weil ihn seine Tochter verlässt, dann wieder verärgert, weil sie die Juwelen mitnimmt, schließlich am Boden, von allen gehasst. Er hat verloren.

Nächst Lüchinger beeindruckt Beate Weidenhammer, die schon bei "Ende gut, alles gut" große Spielfreude und Ausdrucksstärke unter Beweis stellte, als robuste und auch mal augenzwinkernde Portia. Verletzlich und scheu Petra-Janina Schulz als Shylocks Tochter Jessica, souverän-unbeschwert Markus Seuß als Bassanio, der mit seinem Werben um Portia das ganze Drama auslöst. Tim Lee (Antonio), besonders in den letzten Angst-Szenen eindringlich, und Tobias Dürr als Lorenzo komplettieren ein bestens harmonierendes Ensemble.

Das von Shakespeare als Komödie apostrophierte Werk kommt in dieser Inszenierung mit mal melancholischen, mal bitteren Untertönen daher. Der "Jude" wird zum Protagonisten einer kalten, zynischen Welt. Ob mit seinem Untergang Liebe und Freundschaft triumphieren, bleibt auch in dieser mit viel Beifall aufgenommenen Inszenierung fraglich.