Rhein-Kreis Neuss: „Boomphase hält noch an“

Initiative legt erste Ergebnisse zur konjunkturellen Lage des Mittelstandes vor.

Rhein-Kreis Neuss. Mit dem Abwärtssog in den Nachbarstaaten sind auch deutsche Unternehmen ins Trudeln geraten. Die Firmen verbuchten im Juni bundesweit 2,9 Prozent weniger Aufträge als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium in der vorigen Woche bekanntgab. Ein Trend, der im Rhein-Kreis Neuss noch nicht angekommen ist.

Ihre aktuelle Geschäftslage beurteilen die Unternehmen im Kreis unverändert positiv: Das geht aus dem ersten Mittelstandsbarometer hervor, dessen Ergebnisse gestern von Sparkasse, Creditreform und der Kreisverwaltung vorgestellt wurden.

"Der Blick in die Zukunft ist immer noch von viel Optimismus geprägt, die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Von Rezession ist im Rhein-Kreis Neuss nichts zu spüren", sagt Meinungsforscher Rainer Bovelet, der wissenschaftliche Leiter der Studie. "Wir befinden uns noch in der Boomphase." So bewertet auch Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Reinhard Tiefenthal das Klima: "Es gibt keine Kreditklemme, wir begleiten den Mittelstand auch weiterhin."

536 kleine und mittlere Betriebe sind im Juni und Juli telefonisch zur aktuellen Geschäftslage und ihren Erwartungen interviewt worden. Befragungsinhalte waren die Personal-, Gewinn-, und Umsatzentwicklung, Investitionsbereitschaft und die Konjunkturaussicht. Auch die Auswirkungen der Konjunkturkrise war Thema.

"Wir wollen Nöte und Prognosen kennen, um zielgenau Maßnahmen entwickeln zu können", sagt Kreisdezernent Jürgen Steinmetz. Die Ergebnisse sollen beim Mittelstandsforum in der Sparkasse im Oktober eingebracht und als Instrument zum Controlling genutzt werden. Das Barometer soll zunächst für drei Jahre erstellt werden. "Die Studie ist viel differenzierter als der Ifo-Index und beinhaltet die Ergebnisse der einzelnen Kommunen", erklärt Bovelet.

Ergebnis: Objektive Situation und Stimmung der mittelständischen Wirtschaft im Rhein-Kreis werden 2008 positiver als 2007 bewertet. Beim Konjunkturklima-Index rangieren Jüchen, Korschenbroich und Grevenbroich vor den anderen Kommunen. Unter dem Durchschnitt liegt das "Konjunkturwetter" im Kreis in Dormagen und Rommerskirchen (s. Grafik).

Branchen: Die Werte sind im Dienstleistungsbereich am stabilsten. Auffällig: Sowohl Baugewerbe als auch Handel legen trotz mangelnder Konsumlust deutlich zu. Das Verarbeitende Gewerbe verliert leicht.

Risiken: Die Achillesferse der Entwicklung bleibt die Lage auf dem Beschäftigungsmarkt. Auch allgemeine Risiken wie die steigenden Energie- und Rohstoffpreise drücken erwartungsgemäß auf die Stimmung und bremsen die Risikobereitschaft. Jedes fünfte Unternehmen im Kreis ist von den Auswirkungen der US-amerikanischen Immobilienkrise und ihren Folgen für den internationalen Kapitalmarkt betroffen.

Investitionen: Die Bereitschaft, am Standort zu investieren, ist nicht mehr so groß. Nur noch 22 Prozent der befragten Unternehmen planen Investitionsvorhaben, im Oktober 2007 waren es noch 42Prozent. Den Löwenanteil der Investitionsarten machen dabei Ersatzbeschaffungen aus (40 Prozent).

Fachkräfte: Der Fachkräftemangel zieht sich querbeet durch die deutsche Wirtschaft: Rund ein Drittel der mittelständischen Unternehmen im Kreis klagen, dass der Mangel an Fachkräften die Entwicklungschancen des eigenen Unternehmens behindert.

Beratungsangebot: Eine deutliche Mehrheit würde den Rhein-Kreis Neuss als Unternehmensstandort weiterempfehlen (87Prozent). Nur vier von zehn Betrieben kennen indes die Beratungs- und Dienstleistungsangebote der Wirtschaftsförderungen. Die Angebote werden insgesamt mit einer Schulnote von 2,4 bewertet. Nur 14 Prozent geben an, mehr Informationen zum Beratungsangebot zu benötigen.