Meinung Warum eine Verurteilung Winterkorns auch ein Scheitern von VW bedeutet
Meinung · Es geht doch: Dreieinhalb Jahre nach der Enthüllung von Abgasmanipulationen bei Volkswagen durch US-Behörden liegt eine erste Anklage in Deutschland vor.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig will den früheren Konzernchef Martin Winterkorn und vier weitere Beschuldigte wegen eines besonders schweren Falles von Betrug vor Gericht bringen. In den USA hat es im Zuge des Abgas-Skandals bereits mehrere Verurteilungen gegeben. Und VW hat dort fast 30 Milliarden Euro an Strafen und Entschädigungen gezahlt.
Die Staatsanwaltschaft ist sicher, mit Hilfe von Kronzeugen genügend Beweise gegen Winterkorn gesammelt zu haben. Trifft das zu, bricht die bisherige Argumentation des Wolfsburger Konzerns in sich zusammen. Denn angeblich wussten nur wenige Motor-Spezialisten von den Abgasmanipulationen. Ohne Wissen des Vorstands hätten diese Fachleute den Betrug durchgezogen. Glaubhaft klang das angesichts der Dimensionen der Tricksereien nie. Wird Winterkorn tatsächlich verurteilt, wäre das auch ein Scheitern des Systems Volkswagen insgesamt. Dann hätte die Spitze des Konzerns den Betrug nicht nur über viele Monate hinweg akzeptiert, sondern auch nichts unternommen, um ihn zu beenden.
Winterkorn beteuert seine Unschuld. Er habe nichts von den Täuschungen gewusst. Sollte der einst mächtigste Autoboss Deutschlands in einem Prozess der Lüge überführt werden, droht ihm eine langjährige Haftstrafe. Aber nicht nur das. Er müsste anschließend auch mit Schadenersatzforderungen von Volkswagen rechnen. Denn der Aufsichtsrat könnte gar nicht anders, als mit solchen Forderungen gegen Winterkorn vorzugehen. Geprellte VW-Kunden würden dann vielleicht eine gewisse Genugtuung empfinden. Aber für die meisten von ihnen gilt: Sie bleiben auf ihrem Schaden sitzen, weil VW – anders als in den USA – nur nach Klage hilft.