Meinung Asyl: Beruhigungs-Pillen in Paragrafen-Form
Eigentlich kann die Bundesregierung nur auf einen schnellen, harten Wintereinbruch hoffen. Denn in jedem Winter kommt auf dem Mittelmeer der Verkehr der Flüchtlingsboote weitgehend zum Erliegen, das gleiche gilt in geringerem Maße auch für die Landwege auf der Balkanroute.
Einzig das Wetter und die Jahreszeit werden zu einem Ergebnis führen, zu dem das Gesetzespaket zu Flucht und Asyl wenig beiträgt: Ab Oktober werden für ein paar Monate weniger Flüchtlinge nach Europa kommen.
Die Bundesregierung hat ein paar Beruhigungs-Pillen in Paragrafen-Form für denjenigen Teil der Bevölkerung geschaffen, der sich weniger um die Unterbringung der Flüchtlinge als vielmehr um die Folgen ihres dauerhaften Aufenthalts sorgt. Das ist alles.
Die faktischen Folgen des Gesetzespakets sind dagegen sehr überschaubar. Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ließe sich beliebig erweitern, am Ende bleibt das deutsche Asylrecht ein individuelles Recht, weshalb jeder Asylsuchende die Gelegenheit haben muss, seine Gründe auch individuell vorzutragen. Dazu spielt es keine Rolle, ob die Bundesregierung sein Herkunftsland für sicher erklärt.
Die meisten Flüchtlinge kommen auch nicht, weil sie hier von Sozialleistungen leben, sondern überhaupt überleben wollen. Dass es nun statt Taschengeld möglichst nur noch Sachleistungen geben soll, ändert nichts an ihrer Motivation, sondern macht ihnen bloß das Leben schwerer.
Dass die Innenminister der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Berlin, Hessen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt am Mittwoch von Bundesinnenminister Thomas de Maizère (CDU) eine „sofort spürbare Eindämmung des Flüchtlingszuzugs“ fordern, ist nichts anderes als ein offenes Bekenntnis zum Unglauben an die Wirksamkeit des vorbereiteten Gesetzes-Pakets. Dass de Maizière seit Mittwoch zusätzlich mit der Einrichtung grenznaher „Transitzonen“ für Asyl-Schnellverfahren nachlegen will, macht es nicht besser.
Die Bundesregierung bringt ein Paket mit Zusatzmaßnahmen auf den Weg, das sehr wenig bis nichts zur Bekämpfung von Flucht, Vertreibung und Armut leistet, sondern stattdessen ganz offen arme Menschen bekämpft. Es bietet auch keine Antwort auf die Frage, wie Integration gelingen kann und was dazu nötig ist. Es ersetzt lediglich die Willkommenskultur dieses Sommers durch die Frage: „Wann geht Ihr endlich wieder?“