Meinung Der Fall Hopp: DFB setzt auf Härte — und die Spirale dreht sich weiter

Meinung · Obwohl man die Form des Protests ablehnen kann, ist es auffällig, dass Spiele bei Beleidigungen gegen einen Milliardär unterbrochen werden, rassistische, sexistische oder homophobe Ausfälle aber jahrzehntelang übersehen wurden. Wir erleben einen Kulturkampf zwischen Stehplatz und VIP-Loge.

Schiedsrichter Christian Dingert (Mitte) spricht mit Spielern von Hoffenheim und München, während die Münchner Fans auf der Tribüne ein Banner mit der Aufschrift „Hopp bleibt ein Hurensohn“ zeigen.

Foto: dpa/Michael Probst

Es ist immer wieder beeindruckend, was der Profifußball alles über sein Publikum weiß. Wie alt das durchschnittlich ist, wie viele Frauen im Stadion sind, wie viel Geld der einzelne Fan am Spieltag ausgibt. Alles digital messbar mit Zahlen und Daten. Wovon der Profifußball hingegen nicht den leisesten Schimmer hat: wie seine Fankurven ticken. Anders sind die Maßnahmen der vergangenen Jahre — und erst recht an diesem Wochenende — nicht zu deuten. Als wären die Schmähungen gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp durch Spielunterbrechungen zu beenden.

Natürlich muss sich niemand widerstandslos beschimpfen lassen, ebenso natürlich greift die Kritik an Hopp zu kurz. Aber um ihn selbst geht es ja nicht, nicht um den Menschen, Hopp ist das Symbol. Für einen gentrifizierten Fußball, den sich Milliardäre als Hobby gönnen. Ein chemisch reines Produkt ohne brodelnde Fankurven. Dafür mit gesponserten Halbzeitspielchen und Klatschpappen. Gleichzeitig steht Hopp aber auch für konkrete Kämpfe der Fans: für Meinungsfreiheit, gegen Kollektivstrafen und Überwachung.

Hopp habe Sonderrechte, weil er Geld in den Fußball steckt, heißt es. Und obwohl man die Form des Protests ablehnen kann, ist es doch auffällig, dass Spiele bei Beleidigungen gegen einen Milliardär gleich mit maximaler Betroffenheit unterbrochen werden, rassistische, sexistische oder homophobe Ausfälle aber jahrzehntelang übersehen wurden. Übrigens von denselben Funktionären und Spielern, die gekaufte Turniere, Doping oder Trainingslager in Autokratien stets weglächeln.

Was wir hier erleben, ist ein Kulturkampf zwischen Stehplatz und VIP-Loge. Umso absurder wirken Verschwörungstheorien über konspirative Absprachen zwischen den Kurven gegen Dietmar Hopp. Weiter kann man als Funktionär nicht von der Gefühlswelt derer entfernt sein, die mit Choreografien und Gesängen den Rahmen für die Show liefern. Denn natürlich braucht kein Ultra einen „Auftrag“, der Protest geschieht aus dem Selbstverständnis als Kämpfer „gegen den modernen Fußball“ heraus. Und er wird nun richtig Fahrt aufnehmen, die Kurven schalten in den Jetzt-erst-recht-Modus.

Und was ist die Antwort  – etwa Dialog und Zusagen, die nicht wie im Fall der vermeintlich abgeschafften Kollektivstrafen bei erster Gelegenheit gebrochen werden? Nein, es werden dieselben Fehler gemacht wie bei der Debatte um die Pyrotechnik. Aber haben all die Strafen etwa für weniger Rauch und Feuer gesorgt? Nicht im Ansatz, es brennt jede Woche. Oder hat sich die Masse in den Kurven von den aktiven Fanszenen distanziert wie gefordert? Im Gegenteil: Sie hat sich solidarisiert und sieht im DFB mehr denn je den Feind.

Trotzdem setzt der wieder auf Härte. Und nach der Sonderbehandlung für Dietmar Hopp gibt es kein Zurück mehr. Kaum ein Spiel dürfte noch ohne massive Proteste ablaufen, kaum eins ohne Unterbrechungen. Die Spirale dreht sich, geholfen ist niemandem.