Die Bonner Zöpfe abschneiden
Der CO2-Ablass, den sich die Bundesregierung für ihre exzessiven Reisetätigkeiten auferlegt hat, trägt erste Früchte. Endlich wird für jedermann sichtbar, welche absurden Auswüchse die Verteilung der Regierung auf die Standorte Berlin und Bonn zeitigt.
66 000 Dienstreisen im Jahr mit dem Flugzeug, mit dem ICE und mit dem Dienstwagen blasen nicht nur 20 000 Tonnen Kohlendioxid in die Luft. Sie vernichten zugleich kostbare Arbeitszeit und lähmen den Regierungsbetrieb.
Wer das nicht wahrhaben will, muss nur etwas genauer in die Ministerien schauen: In den strategisch wichtigen Fragen bilden sie sogenannte Spiegel-Referate, die an beiden Standorten das notwendige Know-how bündeln. Und die zwei Regierungssitze bergen weitere Absurditäten: Sechs Ministerien haben noch immer ihren offiziellen Sitz in Bonn.
Die zuständigen Minister aber regieren selbstverständlich in Berlin. Dort sitzen die Ministerialbeamten, die etwas werden wollen. In Bonn verweilen die, die ihre spätere Pension am schönen Rhein genießen möchten.
Diese verschwenderischen Doppelstrukturen, deren Ineffizienz Programm ist, sind nur aus der Vereinigungsgeschichte heraus erklärbar. Bei der äußerst knappen Entscheidung des Bundestages 1991 für den Regierungssitz Berlin hat eine starke Bonn-Lobby die ehemalige Bundeshauptstadt vor dem Abrutsch ins wirtschaftliche Elend bewahren wollen. Sie verbündete sich mit den Kulturpessimisten, die aus Sorge vor einem neo-wilhelminischen Zeitalter die Macht nicht in Berlin bündeln wollten.
Beides ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: Bonn geht es besser als je zuvor. Nicht nur weil hier weitere Bundes- und UN-Behörden angesiedelt wurden. Die Stadt ist mit Telekom, Post und Postbank ein Teil der Boom-Region Rheinland. Und die deutsche Regierungspolitik leidet auch im Jahr 2008 noch darunter, dass der Föderalismus in seiner jetzigen Form den politischen Willensbildungsprozess lähmt.
Höchste Zeit also, die alten Bonner Zöpfe abzuschneiden. Es ist ein Armutszeugnis regionaler Rücksichtnahme: Die weit überwiegende Mehrheit der Politiker und der Bürger denkt so. Aber niemand wagt es, das Thema jenseits des Sommerlochs auf die politische Tagesordnung zu setzen.