Von EU-Beitritt kann noch keine Rede sein
In die Genugtuung über die Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers und Völkermörders Radovan Karadzic mischen sich auch Wut und Empörung. Wut und Empörung darüber, dass es 13 Jahre gedauert hat, bis man diesen zynischen Poeten und irren Psychiater dingfest machen konnte.
Verantwortlich dafür sind höchste Stellen im Militär und in der Politik Serbiens. Sie deckten einen Mann, der in nationalistischen Kreisen noch immer als Held verehrt wird.
Es ist kein Zufall, dass Karadzic erst jetzt, da eine pro-europäische Regierung in Belgrad das Ruder übernommen hat, für seine Gräueltaten zur Verantwortung gezogen wird.
Keine Frage: Serbien macht damit einen wichtigen Schritt auf Europa zu - in einem Moment, in dem es den Anschluss an die EU endgültig zu verpassen drohte. Es ist nicht lange her, da hatte Belgrad aus Protest seine Botschafter aus Deutschland und anderen EU-Staaten abgezogen, die die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hatten. Nun sollen die Diplomaten zurückkehren.
Entscheidend wird sein, ob die Zusammenarbeit der serbischen Regierung mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal wirklich vollständig ist, wie es Brüssel fordert. Das wäre die Voraussetzung dafür, dass ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU in Kraft tritt, das wiederum Voraussetzung für einen EU-Beitritt Serbiens ist - irgendwann einmal, in ferner Zukunft.
Noch hält sich die rechte Hand Karadzics, Ratko Mladic, in Serbien versteckt. Auch er gehört nun schnellstmöglich verhaftet und ausgeliefert. Und dann wird zu beobachten sein, wie sich die in Belgrad mitregierende Sozialistische Partei des früheren Machthabers Slobodan Milosevic verhält.
Wird der von ihr gestellte Innenminister Ivica Dacic, der ein enger Mitstreiter Milosevics war, dem Tribunal wirklich alle Dokumente zur Verfügung stellen, die Karadzic belasten? Oder wird er das Verfahren in Den Haag mit Blick auf die eigene Anhängerschaft torpedieren?
Auch die EU steht unter Beobachtung. Menschenrechtsorganisationen verlangen von ihr Härte im Umgang mit Belgrad, als eine Art Wiedergutmachung. Sie haben nicht vergessen, wie 1995 niederländische UN-Blauhelme tatenlos dabei zusahen, als bosnische Serben in Srebrenica 8000 Menschen massakrierten.