Die Mücke muss zum Elefanten werden
Der „Spiegel“ hat einmal beschrieben, wie Albert Schweitzer in seinem Urwaldhospital den Federkasten offen ließ, um darin krabbelnde Ameisen nicht einzusperren. Diese Achtung vor den kleinsten Kreaturen ist nicht sonderlich weit verbreitet.
Wir halten sie uns eher mit Fliegenklatschen, Mückensprays oder einem vernichtenden Fußtritt vom Leib. Aber man muss nicht jeden Mistkäfer persönlich lieben, um zu begreifen, wie unverzichtbar Insekten sind — und wie gefährdet.
Und doch steht zu befürchten, wie das Insektendrama fortgeschrieben wird, wenn die aktuelle Aufregung verklungen ist: nach allen Regeln der Relativierung. Man mag es kaum glauben, aber der von den Krefelder Entomologen über 27 Jahre gesammelte Datensatz ist derzeit noch der Einzige seiner Art. Das macht ihn angreifbar: Die Insektenfallen standen nur in Schutzgebieten. Eine einfache Übertragung der Befunde auf andere Ökosysteme ist nicht statthaft. Und jede Forderung nach Konsequenzen aus den Ergebnissen setzt zuerst eine Klärung der Ursachen für das Insektensterben voraus. Auch da ist die Datenlage mager.
Wer bei dem Thema aber erst alle Ungewissheiten ausräumen will, ehe er sich zu Gegenmaßnahmen entschließt, macht sich mitschuldig an einer ökologischen Katastrophe. Selbst aus dem Bundesamt für Naturschutz, das dem Bundesumweltministerium und der Politik solide wissenschaftliche Entscheidungsgrundlagen liefern soll, heißt es, man dürfe mit dem Handeln nicht abwarten, bis sich die Datenbasis verbessert habe.
Zu viel Gülle und Kunstdünger, zu viele Monokulturen, zu viele Pestizide: Irgendwo in dieser Gemengelage sind zumindest zum Teil die Ursachen zu suchen. Auch jedem verantwortlichen Landwirt muss am Erhalt der Biodiversität gelegen sein. Zum Kleinreden ist das Insektensterben zu existenziell. Nie hat es die Mücke mehr verdient, zum Elefanten gemacht zu werden.