Meinung Wegweisendes Urteil zum dritten Geschlecht

Wer sein Bild vom Menschen in männlich und weiblich einteilt, der wird mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum dritten Geschlecht seine Schwierigkeiten haben. Ähnlich vielleicht wie bei der unlängst vom Bundestag beschlossenen Ehe für alle, die aus Sicht vieler Kritiker eine Grenzüberschreitung ist, weil eine Ehe nun mal aus Mann und Frau besteht.

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Oder bestehen sollte. Das so zu sehen, ist selbstverständlich legitim. Doch im Falle der Intersexuellen zeigt sich ganz besonders, dass die Realität oft viel komplexer ist, als manch einer glaubt.

Keiner der Betroffenen hat sich sein Schicksal ausgesucht. Intersexuelle lassen sich aufgrund von natürlichen körperlichen Besonderheiten nicht eindeutig als männlich oder weiblich festlegen. Es gibt prominente Fälle, über die zuletzt diskutiert wurde. Wie der der südafrikanischen Läuferin Caster Semenya, deren Auftreten bei den Olympischen Spielen letztes Jahr eine heftige Debatte über intersexuelle Athleten im Sport entfacht hat. Die Betroffenen haben oft viel persönliches Leid und erhebliche Einschränkungen ihrer Lebensqualität hinter sich. Nicht zuletzt, weil viele im Kindesalter Behandlungen unterzogen wurden, die medizinisch fragwürdig waren und auf ausgrenzenden Ansichten von geschlechtlicher Normalität beruhten. Karlsruhe verschafft diesen Menschen nun mehr Respekt — das Verfassungsgericht erkennt den Anspruch Intersexueller an, in ihrem Sosein geachtet zu werden und ein Leben frei von Diskriminierung führen zu können. Schließlich entsteht ein innerer Konflikt meist schon dann, wenn einer betroffenen Person ein Geschlecht zugewiesen wird, das sie später nicht annehmen will oder kann. Weil sie es nicht hat. So etwas wird künftig nicht mehr vorkommen können. Das Recht hat sich an der Natur des Menschen zu orientieren — und nicht umgekehrt.

Wer nun immer noch Probleme mit dem Urteil hat, dem sei gesagt: Karlsruhe nimmt niemandem etwas weg oder beschneidet jemanden in seinen Rechten zugunsten eines anderen. Im Gegenteil. Und wer nun glaubt, dass das Urteil die Debatte über den Genderwahnsinn mit Sternchen hier und Unisex-Toiletten dort neu beleben wird, der sollte bedenken: Die meisten betroffenen Menschen wollen nicht öffentlich sichtbar gemacht werden. Sondern nur ein ganz normaler Bestandteil der Gesellschaft sein. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht nun einen wichtigen Anstoß gegeben.