Meinung Ein wichtiges Datum für die deutsche Einheit

Meinung | Berlin · Der 15. Januar 1990 markiert den Tag des Aufstands der DDR-Bürgerrechtler und den Sieg über die Stasi. Und erstellte endgültig die Weichen Richtung Wiedervereinigung.

Eine Gruppe Demonstranten posiert mit Uniformen und DDR-Flagge in einem verwüsteten Büro der Zentrale des Amtes für Nationale Sicherheit in Ost-Berlin am 15. Januar 1990.

Foto: picture alliance / dpa/Peter Kneffel

Der Sturm auf die Stasi-Zentrale heute vor 30 Jahren war zwar ein Massenansturm, aber keine Erstürmung. Die Gebäude in der Berliner Normannenstraße waren an jenem 15. Januar 1990 schon unter Kontrolle von Bürgerrechtlern, bevor die 100.000 Demonstranten kamen. Und dass sich die Tore dann so plötzlich öffneten, lag auch nicht am Wirken heimlicher Mächte, sondern war Folge einer Übereinkunft der Bürgerrechtler mit der Polizei.

Ins Reich der Fabel gehört auch die Vermutung, dass der anschließende zweistündige Vandalismus in dem Gebäude-Komplex nur erzeugt worden sei, um die wichtigsten Akten zu klauen – Einzelfälle mal ausgenommen. Erstens befanden sich die eigentlichen Schätze der Stasi nicht im Versorgungstrakt, den es am meisten traf. Und zweitens ging nach diesem Tag die Aktenvernichtung noch weiter, teilweise mit Zustimmung von Bürgerrechtlern. Nur jetzt eben kontrolliert und nicht mehr geheim. Die Furcht davor, dass die Hinterlassenschaft des DDR-Regimes noch lange wie ein Gift wirken könne, war durchaus verbreitet – bis weit nach Bonn. Erst kurz vor der Einheit am 3. Oktober fand man einen Kompromiss über den Umgang damit – und erst die praktische Anwendung des Stasi-Unterlagengesetzes hat dann gezeigt, dass eine Aufarbeitung tatsächlich möglich ist, ohne neuen Hass zu säen.

Der 15. Januar markiert fast genau so stark wie der Mauerfall zwei Monate zuvor das faktische Ende des DDR-Staates, meint Werner Kolhoff.

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Gleichwohl war der 15. Januar ein historisches Ereignis. Er beendete zum einen den Versuch der in SED/PDS umgetauften Staatspartei, sich mit Ministerpräsident Hans Modrow an der Spitze wieder zu stabilisieren. Mit dem 15. Januar meldeten sich die Bürgerrechtler, die bis dahin recht brav am Runden Tisch mit der Regierung Modrow zusammenarbeiteten, machtvoll zu Wort. Vor allem die Radikaleren unter ihnen. Gleichzeitig verloren Putschgerüchte an Brisanz. Die Stasi galt jetzt als besiegt.

Zum anderen markierte das Ereignis fast genau so stark wie der Mauerfall zwei Monate zuvor das faktische Ende des DDR-Staates. Nämlich seinen totalen Kontrollverlust. Die einen entmachtet, die anderen noch ohne Legitimität. Und gleichzeitig immer größere Wut auf den Straßen. Das war die Lage. Gewalt lag in der Luft. Und Chaos. Nicht nur in der Normannenstraße. In Leipzig gerieten am gleichen Abend Einheits-Befürworter und -Gegner handgreiflich aneinander.

Diese Ereignisse beschleunigten den Prozess der Einheit enorm. Schon zwei Wochen später wurde beschlossen, die erste demokratische Wahl von Mai auf März 1990 vorzuziehen. Nun wurde Tempo gemacht. Auch Bonn setzte jetzt voll auf die Einheit. Helmut Kohl führte die Ost-CDU und einige Bürgerrechtsgruppen zur „Allianz für Deutschland“ zusammen – was auch für die junge Angela Merkel Weichen fürs Leben stellte. Wenn die Macht herrenlos auf der Straße liegt, dann nimmt sie sich jemand. Es ist nur die Frage, wer zuerst zugreift – und mit welcher Entschlossenheit. Der Kanzler der Einheit hat nach jenem 15. Januar am schnellsten geschaltet.