Gelöbnis: Soldaten im Wechselbad der Gefühle
Öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr - von der Polizei geschützt.
Soldaten der Bundeswehr erleben in diesen Wochen ein Wechselbad der Gefühle. In Afghanistan werden sie bekämpft und verwundet und müssen miterleben, wie Kameraden sterben. Aber in der Heimat flüchten sich diejenigen, die ihnen den Rücken stärken sollten, in verharmlosende Begriffe wie Mission, Einsatz, Gefecht - nur, um das vermaledeite Wort Krieg nicht in den Mund nehmen zu müssen. Die Soldaten - mutig, die Politiker, die sie in Marsch setzen - hasenfüßig.
Dass sich gestern, am 65.Gedenktag des militärischen Widerstandes gegen die Nazi-Diktatur, junge Männer vor den Berliner Reichstag stellen und in aller Öffentlichkeit geloben, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, ist aller Ehren wert. Die Rekruten erfüllen eine Pflicht, die ihnen das Grundgesetz auferlegt hat. Wer sich dazu bekennt, muss das nicht hinter Kasernenmauern tun. Das Parlamentsgebäude ist der angemessene Platz für das feierliche Gelöbnis unserer Parlamentsarmee.
An einem solchen Tag darf auch die Grundsatzfrage gestellt werden, ob heutzutage eine Wehrgerechtigkeit noch möglich ist oder ob nicht die Berufsarmee die bessere Lösung wäre. Darüber muss in allem gebotenen Ernst parlamentarisch gestritten werden. Dabei darf aber nicht in Vergessenheit geraten, dass seit 50 Jahren die Wehrpflichtigen das vitale Bindeglied zwischen Militär und Zivilbevölkerung sind. Und dass die meisten Entgleisungen beim Bund von Wehrpflichtigen ans Licht gebracht worden sind.
Und die Demonstranten, die gestern in Berlin gegen das Gelöbnis und die Bundeswehr auf die Straße gegangen sind? Auch sie haben das Recht auf Protest und die Freiheit der Meinungsäußerung. Die Bundeswehr muss Kritik dulden ebenso wie die Vertreter von zwei Regierungskoalitionen, die erstmals seit 1945 deutsche Soldaten in Kriege geschickt haben. Wer aber aufwiegelt zu körperlicher Gewalt, der stellt sich außerhalb der Gesellschaft und wird zu Recht auf Distanz gehalten. Es beschämt, dass die Polizei junge Bürger beschützen muss, wenn sie das Versprechen ablegen, für Recht und Freiheit auch der Andersdenkenden einzutreten. Vor dem ehrwürdigen Gebäude mit der Inschrift: "Dem deutschen Volke".