US-Präsident Obama schreibt die SPD ab: Missgeschick auf höchster politischer Ebene
Wenn die Mächtigen der Welt den Eindruck haben, sie seien unter sich, verzichten sie gelegentlich auf diplomatische Kunstfertigkeiten und reden mal so ganz normal. "Ach, Sie haben schon gewonnen." Man kann sich gut vorstellen, wie Barack Obama das lächelnd und leichthin zu Angela Merkel gesagt hat, als sie auf dem Weg zur Pressekonferenz waren.
Wahrscheinlich war Obama in diesem Augenblick nicht bewusst, dass die Bemerkung aufgezeichnet werden würde. Es handelt sich wohl eher um ein Missgeschick auf höchster politischer Ebene und nicht um beabsichtigte Wahlkampfhilfe für die Kanzlerin.
Auf die vom Pech verfolgte SPD und ihren Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier wirkt es verstörend, in dieser Art von Obama abgeschrieben zu werden. Eigentlich hofften die Sozialdemokraten, das Herz des demokratischen US-Präsidenten schlage links.
Die häufig veröffentlichte Analyse, Obama und Merkel pflegten einen unterkühlten Umgang, schien das zu bestätigen. Und nun erklärt ausgerechnet der in Deutschland sehr populäre Obama die Kanzlerin zur Gewinnerin der Bundestagswahl, noch bevor die SPD überhaupt ernsthaft mit dem Wahlkampf begonnen hat.
Auch Sozialdemokraten wissen, wie Machtpolitik funktioniert, und Obama ist ein Machtpolitiker, obwohl er das meistens mit Charme zu verbergen weiß. Als Machtpolitiker orientiert sich Obama nüchtern an Perspektiven. Und Merkel hat - nüchtern betrachtet - die besseren Aus
sichten bei der Bundestagswahl. Womöglich hält Obama den Kanzlerkandidaten Steinmeier für einen patenten Kerl, aber wichtig ist für einen US-Präsidenten ein solides Verhältnis zu Regierungschefs.
Wenn Sozialdemokraten dünnhäutig auf Obamas Prognose reagieren, gewähren sie einen Einblick in ihr momentan tieftrauriges Seelenleben. In fast schon rätselhafter Weise wird die einst stolze Volkspartei in Umfragen mit Werten bestraft, die sie mit dem Blick auf ihre Regierungsbilanz nicht verdient.
Franz Müntefering hat auf die Frage, ob er Hilfe aus dem Himmel erwarte, geantwortet: "Wenn der liebe Gott so ist, wie ich ihn mir vorstelle, ist er auf unserer Seite." Ähnlich hat die SPD allerdings auch über Obama gedacht.