Zur Glaubwürdigkeit im Gesundheitssystem: IGeL darf nicht zur Regel werden
Es ist noch gar nicht so lange her, da gingen die niedergelassenen Ärzte auf die Straße, um gegen die Honorarreform zu protestieren. Ein führender deutscher Ärztefunktionär provozierte nun erneut eine Debatte über Rationierungen bei Behandlungen.
Und die Kassen warnen angesichts der Wirtschaftskrise vor neuen Milliardenlöchern. Fakt ist: Die Finanzlage des Gesundheitssystems ist angespannt, und sie wird sich auch wegen des medizinischen Fortschritts und der demografischen Entwicklung mittelfristig nicht verbessern - im Gegenteil. Man muss kein Prophet sein um zu wissen, dass sich angesichts dieser Situation das Angebot von IGeL weiter erhöhen wird. Risiken und Nebenwirkungen eingeschlossen.
IGeL ist die Nagelprobe, wie gerecht das Gesundheitssystem noch ist. Die Grundfrage lautet: Was soll die Solidargemeinschaft an gesundheitlichen Leistungen zahlen? Es ist sinnvoll, sportmedizinische Untersuchungen, Beratungen vor einer Reise, aber auch zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen auszuklammern. Wenn IGeL aber zur Regel wird, auch bei notwendigen Behandlungen, dann manifestiert sich die Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland.
Der Arzt befindet sich bei IGeL in einer ungewohnten Doppelrolle. Er ist letztlich auch Unternehmer; aber er ist eben kein normaler Unternehmer. Wer in seinem Behandlungszimmer sitzt, der fühlt sich als medizinischer Laie oft hilflos ausgeliefert, verunsichert, im schlimmsten Fall sogar verängstigt. Er ist angewiesen auf einen Menschen, dem er vertrauen muss. Dem Arzt darf es auch bei Zusatzleistungen in erster Linie nur um das Wohl des Patienten gehen, und nicht um sein Budget. Mediziner, die bei IGeL überziehen, die Patienten zu Zusatzleistungen drängen und ihnen unsinnige Leistungen aufs Auge drücken, zerstören das Vertrauensverhältnis - und schaden damit sich selbst und dem Gesundheitssystem als Ganzem.
Der Patient wiederum sollte sich klar machen, dass er auch Kunde ist. Er hat ein Recht darauf, dass Spielregeln eingehalten werden. Und er ist als Laie nicht so hilflos ausgeliefert, wie er vielleicht glaubt. Weil er nachhaken, sich informieren, eine zweite Meinung einholen kann - und dies im Zweifelsfall auch selbstbewusst tun sollte.