Merkel, Obamas Lieblings-Verbündete
Im deutsch-amerikanischen Verhältnis hat sich ein tiefgreifender Wandel vollzogen. Die Kanzlerin ist in der US-Hauptstadt nicht nur ein gern gesehener Gast. Präsident Barack Obama sucht sogar aktiv den Kontakt zu Berlin.
Trotz einiger Differenzen bietet sich für Merkel die einmalige Chance, stärker auf die amerikanische Politik einzuwirken als jeder ihrer Vorgänger.
Als Ex-Kanzler Gerhard Schröder in Berlin die Regierungsgeschäfte führte und George W. Bush im Oval Office das Sagen hatte, kam der Kanzler in Washington auf keinen grünen Zweig. Deutsche Kritik am Irakkrieg und das arrogante Auftreten des Kanzlers trieben einen Keil in das transatlantische Verhältnis. Nach Merkels Wahlsieg normalisierten sich die Beziehungen wieder. Nun aber ist die Kanzlerin auf dem Wege, zur Lieblings-Verbündeten des neuen US-Präsidenten aufzusteigen. Gerüchte über ein kühles persönliches Verhältnis werden von der US-Regierung energisch zurückgewiesen. Vielmehr sucht Obama das Gespräch mit Merkel häufiger als mit jedem anderen Amtskollegen und lässt ihr sämtliche protokollarische Ehren angedeihen, derer sich nur die besten Freunde des Weißen Hauses erfreuen dürfen.
Trotz einiger ideologischer Differenzen verbinden den sozialliberalen Obama und die CDU-Politikerin Merkel Pragmatismus und ein eiskalter politischer Instinkt. So will Merkel den Besuch in Washington auch zu Wahlkampfzwecken ausschlachten. Der im Gegensatz zu seinem Vorgänger belesene und historisch interessierte Präsident hingegen weiß zu schätzen, wie wichtig ein gesundes Verhältnis zum größten europäischen Partnerland ist. Dass Obama nach langem Schweigen während der letzten Tage eine härtere Gangart gegenüber Teheran anschlug, beweist, dass er bereit ist, auf die Kanzlerin zu hören, die eine Nachzählung der Wählerstimmen gefordert hat. Schließlich haben beide das Ziel, auf das Regime in Teheran einzuwirken und Irans nuklearen Ambitionen einen Riegel vorzuschieben.
Merkel kann in Washington zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Drei Monate vor der Bundestagswahl will sie fürs heimische Publikum in eigener Sache werben und kann gleichzeitig ein wieder sehr enges Verhältnis zu einem der wichtigsten Verbündeten weiter vertiefen.