Meinung Impfen in der Apotheke? Besser nicht, Herr Spahn
Meinung · Ohne Zweifel ist Jens Spahn der umtriebigste Minister der großen Koalition. Seine neueste Initiative – es soll erlaubt sein, sich in Apotheken gegen Grippe impfen zu lassen. Vernünftig ist Spahns Idee dennoch nicht.
Ohne Zweifel ist Jens Spahn der umtriebigste Minister der großen Koalition. Kaum ein Tag vergeht ohne eine neue Initiative des Münsterländers, der so gerne CDU-Chef geworden wäre und sicher immer noch werden will. Mal wirbt Spahn um Pflegekräfte im Kosovo, dann kümmert er sich um die Digitalisierung mit Apps auf Kassenkosten und schließlich will er die Notfallversorgung neu regeln. Nicht aus dem Blick verliert der 39-Jährige dabei die Apotheker. Denen hatte die Regierung eigentlich versprochen, etwas gegen den verhassten Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu unternehmen. Daraus wird aber nichts, weil das EU-Recht Ausnahmen für deutsche Pharmazeuten nun mal nicht verträgt.
Also möchte Spahn den Apothekern auf andere Weise neue Honorarquellen erschließen. Sein Vorschlag: Es soll erlaubt sein, sich in Apotheken gegen Grippe impfen zu lassen. Verkauft wird der Plan mit der Absicht, die Impfbereitschaft in der Bevölkerung erhöhen – was dringend notwendig ist. Denn nur jeder Zehnte lässt sich in Deutschland gegen das Influenza-Virus impfen. Selbst bei Risikogruppen wie den über 60-Jährigen wird das Ziel, etwa 75 Prozent zu erreichen, bei Weitem nicht geschafft.
Vernünftig ist Spahns Idee dennoch nicht. Eine Impfung ist mehr als nur ein Piks in den Arm. Wer eine fremde Substanz in einen fremden Körper spritzen möchte, braucht die Ausbildung eines Mediziners. Es geht darum, Vorerkrankungen festzustellen und Infekte auszuschließen. Es geht auch darum, die möglichen Unverträglichkeiten und allergischen Reaktionen sachgerecht behandeln zu können. Mit Recht wird den Ärztefunktionären oft vorgehalten, bei Verteilungskämpfen zu sehr auf ihren Honorartopf zu schauen. Diesmal trifft das nicht zu. Die Kritik an Spahns Konzept ist berechtigt.
Der agile Minister sollte seine Kraft und Kreativität besser in eine Kampagne stecken, die die Grippeschutzimpfung ins Bewusstsein der Bevölkerung rückt. Im Winter 2017/18 sind laut Schätzung des Robert Koch-Instituts in Deutschland mehr als 25 000 Menschen an der Grippe gestorben. Es stimmt: Eine Impfung bietet keinen keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion. Aber das Risiko lässt sich erheblich mindern. Allerdings sollte der Impfstoff möglichst hochwertig sein. Dass die kostengünstige Dreifach-Impfung genommen wird, weil die gesetzlichen Kassen die Kosten für die Vierfach-Impfung nicht übernehmen wollen, ist nicht hinnehmbar. Es gibt viele unterschiedliche Virenstämme, und sie verändern sich ständig. Der Impfstoff muss deshalb den jüngsten Stand der Forschung widerspiegeln.