Löchrig wie ein Schweizer Käse

Zugegeben, nach dem jahrelangen Gezerre um die EU-Regeln für Arbeitszeit und Leiharbeit ist es durchaus erfreulich, dass die Minister nun endlich eine Einigung erzielt haben.

Und keine Frage, es ist im Prinzip natürlich begrüßenswert, dass sich Europas Regierungen nicht nur auf Standards für Unternehmen verständigen können, sondern auch auf Schutzrechte für Arbeitnehmer. Soweit die guten Nachrichten aus Luxemburg und Brüssel.

Was seit gestern jedoch als "Durchbruch" (Wortwahl der EU-Kommission) gefeiert und als "Weichenstellung für das soziale Europa" geadelt wird, hilft dem Arbeitnehmer in Europa wahrlich nicht viel weiter. Denn die Vorgaben und Obergrenzen, die verhindern sollen, dass er rund um die Uhr malochen muss, lassen jede Menge Ausnahmen zu. 48 Stunden maximal, unter Umständen 60, unter besonderen Umständen 65, unter ganz besonderen Umständen sogar noch mehr - die Vereinbarung der Minister ist so löchrig wie ein Schweizer Käse.

Der bloße Verweis darauf, dass deutsches Recht kaum verändert werden muss, bedeutet noch lange nicht, dass die EU-Richtlinie folgenlos bleibt für die Arbeitsverhältnisse in Deutschland. Zurecht fürchten Gewerkschaften und der Klinik-Ärztebund die Gefahr, dass eine Bundesregierung - es muss ja nicht die aktuelle Große Koalition sein - von den Möglichkeiten Gebrauch macht, die Europas offene Flanken bieten.

Die EU-Arbeitszeit-Richtlinie mit ihren vielen Ausnahmeregeln bietet auf jeden Fall reichlich praktischen Anschauungsunterricht, wie weit diese Europäische Union noch von einer gemeinsamen sozialpolitischen Überzeugung entfernt ist. Der Slogan vom "European way of life" als Sammelbegriff für eine Versöhnung von Wettbewerb und Solidarität wird bislang jedenfalls in Spanien noch ganz anders verstanden als zum Beispiel in Irland.

Es wäre zwar die falsche Schlussfolgerung, deshalb die Bemühungen um eine europaweite Annäherung der Arbeitsbedingungen aufzugeben. Es ist aber ebenso riskant, um der europäischen Einheit willen Kompromisse in der Arbeits- und Sozialpolitik einzugehen, die aus Sicht der Arbeitnehmer in Deutschland einen großen Rückschritt bedeuten.