SPD-Wahlprogramm: Zwischen Phantasie und Phantasterei
Das Wahlprogramm der SPD ist nicht unseriöser als das der Union.
Es gibt nicht wenige Menschen, die kleben unserem neuen Bundeswirtschaftsminister von der CSU bei allem, was er sagt, an den Lippen. Vielleicht sollten sie so konsequent sein, sich das, was er sagt, auch einmal auf der Zunge zergehen zu lassen.
Die Menschen seien es "leid", zu Wahlkampfzeiten "mit Versprechen überschüttet" zu werden, ist Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt zum Wahlprogramm der SPD eingefallen. Ist ihm entgangen, dass seine eigene Partei gerade erst kräftige Steuersenkungen versprochen und gegen den Rat der großen Schwester CDU sogar einen konkreten Termin dafür ins CSU-Wahlprogramm geschrieben hat?
Man kann sich darüber streiten, was (un-) seriöser ist: vier Millionen neue Arbeitsplätze bis 2020 anzustreben, wie SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier es tut, oder sinkende Steuern trotz geplünderter Staatskassen in Aussicht zu stellen, wie es Guttenberg und CSU-Chef Horst Seehofer tun. Aber dass Vollbeschäftigung weiterhin zentrales Ziel aller Volksparteien sein muss, werden auch die Unionsparteien nicht bestreiten. Auf Seite 13 ihres gemeinsamen "Regierungsprogramms" versprechen CDU und CSU in Anlehnung an Ludwig Erhards "Wohlstand für alle" Arbeit für alle. So weit ist das von Steinmeiers Visionen gar nicht entfernt.
Deutschland sollte sich auf seine Stärken besinnen. Dazu gehört ein beachtlicher Vorsprung in Umwelttechnologien, den es konsequent auszubauen gilt. Deutschland sollte aber auch seinen Schwächen begegnen. Investitionen und damit auch neue Arbeitsplätze im Bildungssektor sind bitter notwendig. Steinmeiers "Deutschland-Plan" beinhaltet all das. Nach der zuweilen plan- und phantasielosen Politik der Großen Koalition ist das ein Fortschritt.
Wenn der SPD-Kandidat nur darauf verzichtet hätte, diese riesigen Zahlen in die Welt zu setzen! Unweigerlich denken die Menschen an Gerhard Schröder, der 1998 mit dem pompösen Versprechen zur Wahl antrat, die Arbeitslosigkeit auf 3,5 Millionen zu reduzieren - und damit als Kanzler kläglich scheiterte. Vor diesem Hintergrund wäre diesmal weniger mehr gewesen. Hohn und Spott hat Steinmeier trotzdem nicht verdient. Sein Programm ist ernsthafter als so manches Guttenberg-Interview.