Wirtschaftskrise: Das Schweigen der Randgruppe
Die Wirklichkeit ist zerklüftet in diesem Krisenjahr. Einerseits verabschiedet der Bundestag eine Rentengarantie auch bei sinkenden Löhnen, andererseits verlieren hunderttausende junge Arbeitnehmer ihre ohnehin prekären Jobs.
Einerseits versorgt der Staat trudelnde Banken mit Milliarden, andererseits nimmt er in Kauf, dass die Jungen dies alles einmal bezahlen müssen.
Aber die Verlierer gehen nicht auf die Straße, protestieren nicht angesichts der Erkenntnis, dass es ihnen einmal schlechter gehen wird als ihren Eltern. Sie schweigen, weil sie keine Ideologien mehr haben, die sie zusammenschweißen. Weil sie nicht daran glauben, etwas verändern zu können. Weil Verwerfungen Teil ihrer Realität sind und waren. Der 11.September, das Platzen der Internet-Blase, die Klima-, Bildungs-, Globalisierungs- und Bankenkrise haben die Jungen geprägt und abgehärtet. Das erklärt ihre Gelassenheit.
Nein, niemand muss befürchten, die Jungen könnten einen Generationenkrieg anzetteln, denn Neid auf die Etablierten und Verteilungskämpfe sind ihnen fremd. An Streiks des Öffentlichen Dienstes mit lauter Trillerpfeifen-Romantik haben sie höchstens noch ein zoologisches Interesse, als handele es sich um das Stelldichein von Dinosauriern aus einem untergegangenen Zeitalter.
Die neue deutsche Gelassenheit erscheint zwar sympathisch, doch sie trägt dazu bei, dass diese Generation der Leisetreter, die einmal die Zukunft Deutschlands gestalten soll, zur großen Randgruppe wird. Aus dem Fokus der Volksparteien ist sie längst verschwunden. Man muss nicht gleich vom Methusalem-Komplott sprechen, aber wenn es um Wählerstimmen geht, umbuhlen Union und SPD lieber die wachsende Gruppe der Alten als die schrumpfende Gruppe der Jungen.
Dass die Sozialdemokratie den zunehmend prekären Arbeitsmarkt nicht ins Zentrum ihrer Politik rückt, ist regelrecht grotesk. Würde sie sich der jungen Generation und ihrer unsicheren Realität öffnen, könnte sie das eigene Identitätsvakuum überwinden, programmatische Perspektiven entwickeln und sich gegenüber den Parteien der etablierten Mitte profilieren. Aber damit die SPD auf diese Idee kommt, müssten die Jüngeren zunächst lauter sprechen.