Steuerstreit: Geben und Nehmen im Kanzleramt
Do ut des (lateinisch: Ich gebe, damit Du gibst) gehört zu den Prinzipien jeden sozialen Miteinanders und ist insofern auch und gerade aus der Politik nicht wegzudenken.
Ursprünglich beschrieb der Begriff das Verhältnis der Römer zu ihren Göttern. Wer den Göttern Opfer brachte, erwartete dafür eine Gegenleistung (insofern handelte es sich auch nicht um echte Opfer, sondern um ein Tauschgeschäft). Auf die Niederungen der aktuellen Tagespolitik übertragen, sind die Regierenden in Kiel die Römer und die Regierenden in Berlin die Götter.
Die Berliner erwarten von den Kielern als Opfergabe die Zustimmung im Bundesrat zum sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Im Gegenzug wird es, auch wenn die Bundesregierung das jetzt bestreitet, finanzielle Vergünstigungen für die Nordlichter geben. Wer glaubt, dass die schwarz-gelbe Landesregierung in Kiel der schwarz-gelben Bundesregierung in Berlin eine schwere Niederlage beibringt, indem sie das Steuerpaket verhindert, irrt.
Das Do-ut-des-Prinzip hat in der Politik noch immer funktioniert. Vor rund zehn Jahren erhielt der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder die Zustimmung einiger unionsregierter Länder zur rot-grünen Steuerreform. Er feierte das als großen Erfolg, auch weil seine Widersacherin, CDU-Chefin Angela Merkel, eine empfindliche Niederlage einstecken musste.
Zu keinem Zeitpunkt war es Schröder unangenehm oder gar peinlich, dass er für die Zustimmung bezahlen musste - etwa mit der Finanzierung teurer Landes-Projekte. Man versteht darum auch nicht, warum die Bundesregierung sich jetzt so ziert. Merkel, seit vier Jahren selbst Kanzlerin, will verhindern, dass der Eindruck entsteht, sie würde die Kieler kaufen. Sie befürchtet, etwas könne Schule machen, das längst zu den politischen Gesetzmäßigkeiten gehört.
Das Kiel-Berliner-Gipfeltreffen am Sonntag im Kanzleramt wird also so aussehen: Nach dem preistreibenden Widerstand der vergangenen Tage werden sich die Kieler "opfern"; im Gegenzug gibt es höhere Mittelzuweisungen aus dem Topf des Verkehrsministeriums, die den durch die Steuersenkungen verursachten Verlust im Landesetat ausgleichen. Am Ende heißt es dann: Manus manum lavat. Eine Hand wäscht die andere.