Vatikan-Debatte: Die Welt braucht einen Brückenbauer
Williamson-Debatte schadet der katholischen Kirche.
Es hat lange gedauert: Während die Wellen der Empörung insbesondere in Deutschland immer höher schlugen, kam aus dem Vatikan entweder Schweigen zum Fall des Holcaust-Leugners Williamson oder Unverständnis angesichts der massiven Kritik. Gestern nun zogen der Papst und seine Berater endlich die Reißleine.
Die Aufforderung an Williamson, seine Aussagen zur Vernichtung der Juden durch die Nazis zu widerrufen, ist ein geschickter Schachzug. Der Vatikan kommt der zuletzt auch von Kanzlerin Merkel gestellten Forderung nach einer Klarstellung nach, ohne dass der Papst Autorität einbüßt. Zugleich öffnet das die Möglichkeit, sich wieder von dem umstrittenen Bischof zu trennen. Ist aber damit alles in Ordnung?
Wohl kaum. Wie sehr die Debatte der katholischen Kirche geschadet hat, ist noch nicht abzusehen. Im Windschatten des Streits ist zudem die alte Frage wieder aufgetaucht, für welchen Kurs Benedikt eigentlich steht. Eine Frage, die in der großen Boulevard-"Wir sind Papst"-Euphorie untergegangen war und die die Zeitung "taz" am Tag nach der Wahl des Pontifex mit ihrem provokativen Titelbild "Oh, mein Gott!" indirekt stellte.
Beide Titelbilder führten letztlich in die Irre. Weder war Joseph Ratzinger als Chef der Glaubenskongregation der unbarmherzige "Panzerkardinal", als den ihn viele sahen. Noch ist BenediktXVI. als Papst der Medienstar im weißen Mantel.
Das Kirchenoberhaupt steht für eine Rückbesinnung der katholischen Kirche auf ihren eigentlichen Kern - in dem Willen, sie aus der Krise zu führen. Davon zeugen nicht zuletzt die beiden bislang erschienenen Enzykliken von der Liebe Gottes und der Hoffnung. Anders als sein Vorgänger, der politische Papst Johannes PaulII., wirkt er dabei in erster Linie nach innen, ohne - entweder willentlich oder aufgrund von falscher Beratung - die Außenwirkung zu bedenken.
Benedikt wollte keinen Holocaust-Leugner adeln. Davon zeugen seine Vita und seine unmissverständlichen Äußerungen zu diesem Thema. Mit seiner Entscheidung hat er aber vielen Menschen vor den Kopf gestoßen und Brücken abgebrochen. Doch die Welt braucht einen Brückenbauer, gerade in Zeiten der Unsicherheit und der Spannungen zwischen den Religionen.