Meinung Was der Rassismus von Wolfsburg von uns verlangt

Meinung · Es gibt tatsächlich richtig gute Signale aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, dass es sich bei Jogis Eleven nicht allein um ziemlich verwöhnte und abgehobene Jungstars handelt, sondern um reflektierte Teilnehmer dieser Gesellschaft.

 Leroy Sané und Ilkay Gündogan sollen während des Länderspiels gegen Serbien von drei Zuschauern rassistisch beleidigt worden sein.

Leroy Sané und Ilkay Gündogan sollen während des Länderspiels gegen Serbien von drei Zuschauern rassistisch beleidigt worden sein.

Foto: dpa/Peter Steffen

Am Freitag kam heraus, dass der junge Verteidiger Jonathan Tah seinen etwas älteren und ausgemusterten Vorgänger und Fußball-Weltmeister Mats Hummels angerufen und um dessen angestammte Trikotnummer 5 gebeten hat. Ein Akt des Anstands, nicht überbordend wichtig, aber ein großes Zeichen unter Kollegen.

Noch viel wichtiger: Der Aufruf von Tahs Kollegen Leon Goretzka vom FC Bayern an die Gesellschaft, Zivilcourage zu zeigen und mit Mut gegen Rassisten vorzugehen angesichts der erschreckenden Ereignisse von Wolfsburg.

 Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Ein Kommentar von Olaf Kupfer.

Foto: ja/Sergej Lepke

Die bewegten und bewegenden Erzählungen eines Internet-Bloggers, der im Fußball-Spiel gegen Serbien erschreckenden Rassismus („Bimbo“, „Neger“, „vergewaltigen unsere Frauen“) von deutschen Fans gegenüber deutschen Nationalspielern wie Leroy Sané oder Ilkay Gündogan erlebt hat, handeln nicht – wie so oft im Netz von Gesinnungsgenossen dargestellt – von harmlosen und gesellschaftlich als normal empfundenen Rufen vereinzelter Fußball-Fans, die deshalb nicht sonderlich ernst zu nehmen wären.  Vielmehr ist es die Darstellung von zwei grassierenden gesellschaftlichen Problemen in diesem Land: Alltagsrassismus, der ausgelebt wird. Und genauso schlimm: Alltagsrassismus, der hingenommen wird.

Dass niemand der umherstehenden Zuschauer Einfluss auf die Verbalchaoten von Wolfsburg genommen hat, ist nicht Ausnahme, sondern viel zu oft Normalität. Wenn das prominente Beispiel aus dem Fußball einen Ansatz zum Umdenken bietet, wäre viel gewonnen. Denn es zeigt auch zweierlei: Dass sich unter dem Druck der öffentlichen Wahrnehmung dieses Falls in Wolfsburg jetzt die Täter der Polizei gestellt haben, ist ein echter Erfolg.

Weil es eben Öffentlichkeit und kein Verschweigen für solchen Hass braucht und die Täter als Brandstifter in einer aufgeheizten gesellschaftlichen Atmosphäre zwischen den Polen ernsthaft zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Nur Konsequenz lässt die Minderheit nicht zur dominierenden Stimme werden, die ein Fußballstadion als Bühne und die schweigende Mehrheit als stumme Gesellen wahrnehmen.

Das beste Wort dazu hat Leon Goretzka am Freitag gelassen gesprochen: „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Da antwortet man auf die Frage der Nationalität mit Schalke, Dortmund oder Bochum.“