Wirtschaft Fischernetze werden zu Fahrrädern

Köln · Plastikmüll zählt rund um den Globus zu den größten Umweltproblemen - alleine in den Weltmeeren schwimmen unvorstellbare Mengen davon und werden dort dem gesamten Ökosystem und letztlich auch dem Menschen gefährlich.

Das Igus-Bike wird in Köln aus Hochleistungskunststoffen hergestellt.

Foto: step/Eppinger

Gleichzeitig wird in Zeiten der steten Erderwärmung und der vielen Naturkatastrophen immer mehr auf nachhaltige Fortbewegungsmittel gesetzt - wozu definitiv auch das Fahrrad gehört.

Wie man diese aktuellen Herausforderungen mit einem orange-leuchtenden Fahrrad innovativ angehen kann, zeigt gerade der Kölner Kunststoffspezialist Igus. Das Unternehmen, das sich seit 60 Jahren auf Industriebauteile für die Bewegung aus Kunststoff, sogenannte „Motion Plastics“, spezialisiert hat, feiert gerade sein Firmenjubiläum. Dazu wurde in Porz nicht nur eine neue, hochmodern konstruierte und 22.000 Quadratmeter große Produktionshalle in Betrieb genommen, sondern auch erstmals in der Firmengeschichte ein Fahrrad aus Kunststoff entwickelt, das jetzt gerade in Serienproduktion gegangenen ist.

Das Igus-Bike ist wartungsfrei und braucht keine Schmiermittel

Das Rad hat für seine Fahrerin oder seinen Fahrer viele Vorteile. Es rostet nicht und ist nahezu wartungsfrei. Auch Kugellager, Antrieb und Freilauf benötigen keinerlei Schmierung, da sie aus Hochleistungskunststoffen gefertigt sind. Diese Materialien bringen durch ihree dämpfenden Eigenschaften zudem eine Federung mit, die für mehr Fahrkomfort sorgt.

Gefertigt werden die einzelnen Komponenten des Rads von Igus im Rotations- und Spritzgussverfahren - vom Rahmen über die Lager bis zum Antrieb. Auch der Lenker und der Sattel wurden aus Kunststoff hergestellt. Der Anteil des zugemischten recycelten Kunststoffs konnte seit dem Entwicklungsstart schrittweise erhöht werden und liegt aktuell bei etwa 50 Prozent - Tendenz steigend. Verwertet werden beispielsweise alte Fischernetze oder ausgediente Shampoo-Flaschen, die mit anderem Plastikmüll zu Regranulat für die Rotationsgussmaschinen aufgearbeitet werden.

„Als Unternehmen für hoch spezialisierte Kunststofflösungen sehen wir uns verpflichtet, die Transformation zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen voranzutreiben. Das Igus-Bike ist ein Meilenstein auf diesem Weg“, sagt Geschäftsführer Frank Blase, der sein Kunststoffrad auf eine große Reise über 6000 Kilometer geschickt hat. Insgesamt in 16 Ländern weltweit, wie beispielsweise in Deutschland, in Italien, in den USA und in China, wird das Rad unterwegs sein, um vor Ort Industriekunden, Recycling-Partnern, Medienvertretern und Endverbrauchern zu demonstrieren, dass Kunststoffe nicht in der Verbrennung, auf Deponien oder gar in den Meeren landen müssen.

Etwa 120 Prototypen wurden in Porz entwickelt, bis die finale Version des Igus-Bikes jetzt in die Serienproduktion gehen konnte. „Die Idee zum Rad hatte ich vor 17 Jahren bei einem Urlaub in Florida, bei dem wir Räder gemietet hatten. Diese rosten direkt am Meer regelrecht weg. Da würde ein Kunststoffrad ohne Schmierung nachhaltig für Abhilfe sorgen. Meine Vision ist heute, die Räder in vielen Ländern weltweit herzustellen und dabei den Plastikmüll vor Ort für neue Kunststoffe zu verwerten. Wir gehen davon aus, das wir den Anteil an recycelten Kunststoff in den kommenden zwei Jahren auf bis zu 75 Prozent erhöhen können. Dazu kommt, dass jedes unserer Räder nach Gebrauch komplett wiederverwertet werden kann“, sagt Blase, der sein Rad online für 1243 Euro anbietet und der mit seinem Team schon an einer Version als E-Bike arbeitet. „Wir haben auch bereits Anfragen von Großkunden wie zum Beispiel von Lieferdiensten.“

Das Kölner Unternehmen entwickelt und produziert seit sechs Jahrzehnten Kunststoffe, die zum Beispiel in der Auto- oder in der Maschinenbauindustrie überall dort eingesetzt werden, wo es wie bei Gleitlagern, Energieketten oder Linearführungen um Bewegung geht. „Das hat wie beim Rad entscheidende Vorteile. So ist die Herstellung von Metall energieintensiver und teurer im Vergleich zum Kunststoff. Dazu kommt, dass bei unseren Lösungen keine Schmierstoffe benötigt werden und so auch der Wartungsaufwand deutlich geringer ist“, erklärt Blase.

Sein Vater Günter Blase hat sein Unternehmen 1964 in einer Doppelgarage gegründet. Über Bergisch Gladbach ging es zum heutigen Firmensitz in Porz. „Wir haben für die Kunden maßgeschneiderte Lösungen für ihre Probleme entwickelt, geliefert und dafür unsere Kunststoffe eingesetzt. Heute sind wir mit einem Jahresumsatz von 1,1 Milliarden Euro und 170.000 Kunden weltweit bei den ‚Motion Plastics‘ Weltmarktführer. Das gilt zum Beispiel für unsere Energieketten aus Kunststoff, die sich bewegende Leitungen Schutz bieten. Vorher gab es das nur aus Metall“, erläutert Blase, dessen Kunststoffteile im Auto genauso zum Einsatz kommen wie bei Kränen, Robotern, Maschinen oder in der Lebensmittelproduktion.

Auch hier strebt das Unternehmen eine Kreislaufwirtschaft bei den Kunststoffen an. So werden ausgediente Teile nicht entsorgt, sondern recycelt und so wieder für neue Produkte eingesetzt. Das Unternehmen ist inzwischen in 32 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit 5000 Mitarbeiter, davon 2500 in Deutschland. Hergestellt werden mehr als 243.000 Artikel wie für Energiezuführungen, hochflexible Kabel, Gleit- und Linearlager oder Gewindetechnik.