Beratung bei Fehlgeburten Ein neues Netzwerk für trauernde Mütter
Düsseldorf · Etwa jede dritte Frau erlebt in Deutschland eine Fehlgeburt. Eine traumatische Situation, mit der Mütter und Angehörige häufig alleine bleiben.
Elf bis 15 Prozent aller Schwangerschaften in Deutschland enden vorzeitig. Eine Zahl, deren Dunkelziffer wahrscheinlich noch viel höher liegt. Denn die meisten Fehlgeburten ereignen sich in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft. Es kann daher passieren, dass Fehlgeburten von den betroffenen Frauen nur unbewusst als verstärkte Blutung wahrgenommen werden. Diejenigen allerdings, die von ihrer Schwangerschaft wissen, sich auf die Geburt des Kindes mit dem Partner und der Familie gemeinsam freuen und vorbereiten, für die zerbricht in solchen Fällen häufig ein Lebenstraum. „Und viele bleiben mit dieser Situation dann sehr, sehr alleine“, sagt Gisela Janßen.
Sie entwickelte einst am Universitätsklinikum Düsseldorf das Projekt des Kinderpalliativteams „Sternenboot“ mit, das sich vor allem um Kinder kümmert, die mit einer lebensverkürzenden Krankheit auf die Welt kommen – was nicht selten auch schon während der Pränataldiagnostik, also vor der Geburt, festgestellt wird. Auch andere Häuser wie das Florence-Nightingale-Krankenhaus der Kaiserswerther Diakonie oder die Kooperation „Gehalten im Verlust (GIV)“ von Geburtshaus und dem Kinderhospiz Regenbogenland halten eigenen Angebote vor, die Mütter bei Fehl- und Totgeburten sowie palliativen Geburten begleiten. Allein: „Ein Netzwerk oder eine Regelstruktur, die sich gleichermaßen um alle Betroffenen kümmert und die Angebot bündelt, gab es bislang nicht“, sagt Janßen. Das gelte auch für die Begleitung der Familienangehörigen. Denn auch die Väter, Großeltern oder Geschwister leiden in einer solchen Situation häufig stark mit.
Diese Lücke soll in Düsseldorf nun geschlossen werden – und nach Aussage von Norbert Hüsson, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland, bundesweiten Vorbildcharakter geben. So haben sich das Regenbogenland, das UKD, die Kaiserswerther Diakonie sowie die Hebammenzentrale Düsseldorf zusammengetan, um ein übergreifendes Beratungsnetzwerk für betroffene Mütter und deren Familien anbieten zu wollen. Darüber sollen gebündelt Informationen über die verschiedenen Beratungsangebote bei den einzelnen Institutionen ermöglicht werden – sodass die Betroffenen direkt Ansprechpartner haben, etwa für eine ambulante Beratung durch Hebammen sowie anderen Themen, wie der psychosozialen Trauerbegleitung bei einer Fehlgeburt oder der palliativen Versorgung des Kindes nach der Geburt.
Explizit richtet sich das Angebot an Betroffene, die eine Fehl- oder Totgeburt erlitten, als auch an werdende Eltern, die die schicksalhafte Diagnose während der Pränataldiagnostik erfahren. „Dabei kommen viele Fragen auf. Stimmt die Diagnose? Soll die Schwangerschaft weitergeführt werden? Wird das Kind leiden?“, sagt Laura Trocan, Leiterin des Kinderpalliativteams „Sternenboot“. „Die werdenden Eltern sollen alle Informationen bekommen, um eine Entscheidung im Interesse ihres Kindes treffen zu können.“
Noch ist das Netzwerk im Aufbau begriffen, erst im November 2024 fand das erste Vernetzungstreffen statt. Die beteiligten Ärzte-, Pflege- und Hebammenteams sind informiert und können bei Bedarf weiterleiten. Bald soll unter Federführung des Regenbogenlandes, aber auch eine eigene Plattform mit eigenen Kontaktmöglichkeiten entstehen, an die sich die Betroffenen dann wenden können. Das Regenbogenland mit seinem breiten Netzwerk aus Spendern unterstützt dabei auch finanziell. Das Kinderhospiz ist auch Initiator des Netzwerkes, deren Bedarf sich aus den Erfahrungen mit Kooperationen zu einzelnen Krankenhäusern und Hebammen ergeben hatte. „Wenn man sich mit Müttern in einer solchen Situation unterhält, bekommt man erst mit, wie wenig übergreifende Hilfsangebote es für diejenigen gibt“, sagt Hüsson. Die Initiatoren hoffen, dass auch viele niedergelassene Frauenärzte sich an dem Netzwerk beteiligen.
Zwar ist das Thema Fehlgeburten und deren Folgen für die Betroffenen nun auch in den Blick des Gesetzgebers gerückt. So hat der Bundestag jüngst eine Erweiterung des Mutterschutzgesetzes beschlossen, der einen gestaffelten Mutterschutz bereits ab der 13. Schwangerschaftswoche vorsieht. Bei Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten, bestand darauf bislang kein Anspruch. Aber auch diese Erweiterung greift laut Gisela Osterhus noch immer zu kurz. Als erfahrene Hebamme hat sie häufig Mütter begleitet, die mit einer solchen Schock-Situation konfrontiert waren. „Alle Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, sollten Anspruch auf Mutterschutz erhalten.“