Untersuchung in Düsseldorf Corona hat motorische Probleme bei Kindern verstärkt

Düsseldorf · Durch die Pandemie haben viele Kinder an Beweglichkeit eingebüßt. Das zeigt eine Studie aus Düsseldorf. Das Erstaunliche: Ausgerechnet in wohlhabenden Nachbarschaften ist die Verschlechterung am größten.

Schulsport ist während der Corona-Pandemie über Monate ausgefallen – mit Folgen für die Fitness vieler Kinder.

Foto: dpa/Soeren Stache

Monatelange Lockdowns, geschlossene Schulen und kein Training in den Sportvereinen – die Corona-Pandemie hat die motorischen Fähigkeiten von Kindern verschlechtert. Wie sich die Fitness von Kindern in unterschiedlichen Quartieren entwickelt hat, zeigt nun eine neue Studie aus Düsseldorf.

Die beiden Forscherinnen Simone Weyers und Mariann Rigó vom Institut für medizinische Soziologie der Heinrich-Heine-Universität haben untersucht, wie sich die motorischen Fähigkeiten von angehenden Grundschulkindern in unterschiedlichen Nachbarschaften über die Jahre verändert haben. Das Ergebnis: Die Pandemie hat die motorische Entwicklung aller Kinder beeinflusst. Besonders aber – und das ist erstaunlich – die Beweglichkeit von Kindern aus besser gestellten und wohlhabenden Gegenden.

„Wir haben mit einem ganz anderen Befund gerechnet“, sagt Weyers. Die Wissenschaftlerinnen waren davon ausgegangen, dass sich bei benachteiligten Kindern mit geringeren finanziellen Mitteln die motorischen Fähigkeiten noch weiter verschlechtern würden. Und sie hatten angenommen, dass Kinder aus wohlhabenderen Nachbarschaften weniger unter der Pandemie leiden würden. „Wer etwa ein Trampolin im Garten hat, hatte ja weiterhin die Möglichkeit zur Bewegung“, so Weyers.

Die Befunde fallen aber anders aus. Es sind häufiger sozioökonomisch besser gestellte Kinder, bei denen sich die motorische Entwicklung verschlechtert hat. Während vor der Pandemie nicht einmal fünf Prozent der Kinder aus wohlhabenden Gegenden unter motorischen Problemen litten, waren es danach 6,4 Prozent. Bei den benachteiligten Kindern hingegen gab es einen solchen Anstieg nicht. Sie sind jedoch insgesamt weniger sportlich – über die Jahre hinweg hatten rund zehn Prozent der Kinder aus benachteiligten Gegenden motorische Defizite.

Wie lässt sich dieser Befund erklären? Die These der Forscherinnen: Kinder aus besser gestellten Familien besuchen häufiger Kindertagesstätten und Sportvereine. Diese sogenannte „strukturierte Bewegung“ fördert die motorische Entwicklung, sagt Weyers. Diese Kinder leiden also seltener unter Defiziten. Durch die Schließungen von Kitas und Vereinen während der Pandemie sind diese Angebote aber weggefallen.

Anders sieht es bei den benachteiligten Gleichaltrigen aus. Diese sind seltener in Kitas und Sportvereinen anzutreffen. Als die Einrichtungen schließen mussten, bedeutete das für viele dieser Kinder also keine gravierende Veränderung. Die motorische Entwicklung blieb auf demselben niedrigen Niveau.

Die Studie zeige zum einen, wie bedeutend Sportangebote in Vereinen, Kitas und Schulen für Kinder sind, sagt Weyers. Zum anderen lege sie dar, dass sozial schlechter gestellte Kinder grundsätzlich mehr motorische Förderung benötigen würden. „Die können sich allerdings nicht alle leisten“, so die Forscherin. Krabbelkurse und Kinderschwimmen seien trotz Förderungen und günstigerer Angebote für einige Familien zu teuer. „Am Ende ist es eine Kostenfrage“, sagt Weyers. Dabei geben die Ergebnisse auch einen Eindruck davon, wie sehr sich die Sportlichkeit von benachteiligten Kindern verbessern könnte, wenn sie vergleichbare Möglichkeiten hätten.

Als benachteiligt gelten in der Studie Kinder, wenn sie in sozialräumlich belasteten Quartieren aufwachsen. Laut dem neuen Quartiersatlas in Düsseldorf gehören dazu unter anderem Viertel in Hassels, Garath und Holthausen. In die Bewertung fließen etwa die Arbeitslosenquote und die Wohnfläche pro Einwohner ein.

Die motorischen Defizite wurden bei den Düsseldorfer Schuleingangsuntersuchungen festgestellt. Die Forscherinnen haben drei Einschulungsjahrgänge 2018, 2019 und 2023 – also vor und nach der Pandemie – unter die Lupe genommen. Um die Motorik zu testen, müssen die Kinder in einer bestimmten Zeit so oft wie möglich seitwärts über eine Linie auf dem Boden springen. Bei dieser Messung sind bis zu 32 Punkte möglich. Kommt ein Kind auf weniger als sieben Punkte, sprechen die Amtsärzte von einer problematischen motorischen Entwicklung.