Tortenplatten vom Trödel schaffen es sogar ins Museum
Werner Wenz zeigt seine Sammlung zurzeit in der Kunsthalle. Immer samstags geht er auf Einkaufstour.
Düsseldorf. Werner Wenz (68) nennt sich Sammler und Jäger. Fast immer samstags steuert er den Trödelmarkt auf dem Aachener Platz an. Das Fundstück vom letzten Wochenende wickelt er in der Kunsthalle aus: eine strahlend gelbe Tortenplatte, auf der die Aufteilung der Tortenstücke schon vorgegeben ist. 200 Platten zeigt er jetzt im Treppenaufgang am Grabbeplatz. Weitere 2.800 lagern in seiner Wohnung.
"Die Situation auf dem Trödelmarkt ist immer dieselbe", beschreibt er seine Vorgehensweise: "Auf Tischen steht all das Gerümpel, das bei der Haushalts-Auflösung der Oma oder der Mutter verscheuert wird. Die Tortenplatten liegen niemals im Sichtfeld, sondern unter drei, vier anderen Keramiken und hässlichen Glasobjekten. Ich weiß genau, dass die unterste Platte die schönste ist."
Einen Satz sagt der Sammler immer wieder: "Können Sie mal das obere Zeug halten!" Derweil zieht er siegessicher die unterste Platte hervor. "Ich suche nicht, ich finde", beschreibt er seine Erfolge. Sein jüngster Schatz kostete einen Euro. Zuweilen muss er drei bis fünf Euro hinlegen.
Wenz ist ein visueller Mensch, nennt sich einen "Nachfolger von Dürer". Er hat sich an der Kunstgewerbeschule in seiner Heimatstadt Pforzheim als Flachgraveur ausbilden lassen und in einer Firma angefangen, die für den Schah von Persien ein Silber-Service aus 3.000 Einzelstücken schuf.
Später besuchte er die Kunstakademie in Berlin, wurde Meisterschüler, dann Lehrer in Düsseldorf für Kunst, Technik, Wirtschaftslehre, Schach und Verkehrserziehung. Seit 30 Jahren besucht er Trödelmärkte, für ihn sind sie die Museen der Alltagsgeschichte.
So hat er Tortenplatten aus den 20er und 30er Jahren. Sie waren für die gehobene Mittelschicht gedacht, die sich bei Kaffee und Kuchen vergnügte. Es sind serielle Kunstwerke im Stil von Art Deco, konkreter Kunst oder russischem Konstruktivismus. "Ich liebe die klaren, schlichten, sehr grafischen Dekore. Ich freue mich, wie die kreativen Handwerker einst mit simplen Techniken die Farben aufgetragen haben", sagt er.
Für ihn sei dies eine Kunstgeschichte des Alltags, die er bewahren wolle. Die kleinen Betriebe im Schwarzwald und Frankenland, in Bayern oder Ostdeutschland sind längst verschwunden, die Berufe der Kunstgewerbler ausgestorben. Er erfasse ihre Geschichte, notiere ihre Herstellung, das Material, die Glasur, die Manufaktur.
Längst sind zu den Platten auch die Krüge, Teller, Service, Tische und Stühle hinzugekommen. Bei sich zu Hause hortet er 67 alte Thonet-Stühle seit 1866. Er kauft alte Tischdecken oder alte Radiogeräte, die wie Marienkäfer oder Legosteine aussehen.
Man sieht den Sammler schon mal im Armani-Anzug für 20Euro, passend zum Second Hand-Hemd. Er habe auf dem Trödelmarkt auch schon echte Kunst von Ludwig Richter erstanden. Er glaubt: "Immer weniger Leute haben einen Bezug zu den Dingen der Vergangenheit." Ihm kommt die Ahnungslosigkeit der Mitmenschen zugute.