Zwischen Hardrock und Helau: Polizisten und ihre Hobbys

Gesellschaft: In ihrem Job haben sie mit Rasern, Dieben und sogar Mördern zu tun. Nach Feierabend aber wird mancher Polizist zum Rocker, Jeck oder Geschichtenerzähler.

Düsseldorf. Sie sind Freund und Helfer, Schiedsrichter und Detektive - und für manche auch mal Spielverderber. Die Düsseldorfer Polizisten müssen Raser stoppen, Diebe stellen, Mörder verfolgen. Wer aber glaubt, ihre musikalische Begabung beschränke sich auf das Einschalten des Martinshorn und ihr Schreibtalent auf das Verfassen von Anzeigen, der liegt falsch. Kreative Hobbys sind im Düsseldorfer Präsidium weit verbreitet.

Udo Moll muss oft kreativ denken. Und er kommt oft in die Zeitung. Zuletzt schilderte er auf einer Pressekonferenz den grausamen Tod eines 82-Jährigen und seiner Tochter, die in Hassels erschossen wurden. Udo Moll leitet seit viereinhalb Jahren Mordkommissionen in Düsseldorf. In der Zeitung steht der 43-Jährige aber auch in ganz anderen - und erfreulicheren - Zusammenhängen: als Sänger der Hardrock-Band "So what?" und Organisator zahlreicher Benefizkonzerte.

Mit 13 Jahren gründete Moll seine erste Band, mit 16 ging er zur Polizei. Als er schließlich in der Altstadt auf Streife ging - sieben Jahre lang - waren die Haare noch kurz. Erst als er ins Kriminalkommissariat 11 wechselte und keine Uniform mehr trug, ließ er die Haare wachsen. Heute covert er mit seiner Band Popstücke und verpackt sie neu in Hardrock, er fährt Harley und kann darüber lächeln, wenn Fortuna-DJ Marcus "Opa" Haefs bei einem gemeinsamen Konzert auf der Bühne verkündet: "Udo, du bist zwar Bulle, aber trotzdem schwer in Ordnung."

Ein bisschen "anders" als der Rocker-Stereotyp ist Udo Moll aber doch. Wenn er bei Proben etwa das obligatorische Bierchen ablehnt. Denn regelmäßig hat er sieben Tage Mordbereitschaft. "Das ist immer eine trockene Woche", sagt der 43-Jährige. Wenn das Verbrechen dann zuschlägt, muss Moll sofort raus. Und wenn er mal gar nicht zur Probe kommt, wissen seine Bandkollegen das schon aus der Zeitung: "Wenn ein Fall sich über Wochen hinzieht, habe ich keinen freien Tag", erzählt der Mord-Ermittler. "Ich gehe um sieben zur Arbeit, bleibe bis nach Mitternacht und sitze um sieben wieder am Schreibtisch." Sein Rekord waren 2000 51 Tage am Stück. Immerhin: Die Aufklärungsquote seiner Mordkommissionen liegt bislang bei 100 Prozent. Da kann man nicht noch als Musiker groß durchstarten.

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Ganz nach oben hat es hingegen Polizist Wolfgang Kral in seinem Hobby geschafft. Das Hobby heißt Karneval, sein großer Triumph: Er war 2003 Prinz.

Dabei war der Sachbearbeiter aus der Öffentlichkeitsarbeit im Präsidium eigentlich kein Jeck. "Abgesehen von den Rosenmontagseinsätzen bei der Polizei hatte ich mit Karneval nichts zu tun", sagt Kral. Dann heiratete er ein Ex-Funkemariechen - sein närrischer Weg war vorgezeichnet.

"Es war ein kometenhafter Aufstieg", sagt Kral: 1999 kam er zur Prinzengarde Blau-Weiss, 2002 begleitete er Venetia Angela Erwin als Adjutant - und dann rief der damalige CC-Präsident Günther Pagalies an und teilte dem Polizisten mit, er wolle ihn als jecke Hoheit. "Da darf man nicht anfangen zu überlegen", sagt Wolfgang Kral. "Diese Chance bekommt man nur ein Mal."

Für eine Session tauschte Kral jedes Wochenende seine Polizeiuniform gegen das Prinzenornat. Seinen Beruf konnte er dennoch nicht verbergen. Seinen närrischen Verwarngeldblock mit Prinzenpaarfoto hatte er immer dabei (natürlich nur zum Spaß), Motorradpolizisten eskortierten ihn zu Terminen, das Polizeikorps spielte zur Prinzenkürung. Und auch heute noch rufen Bekannte aus dem Brauchtum nach einem Einbruch eher direkt bei Wolfgang Kral an als unter 110. Kein Problem, findet er: "Karneval gehört zu meinem Leben. Ich finde es schön und sinnvoll, anderen eine Freude zu machen." Jetzt will Kral noch Prinzenführer werden und die Termine der nächsten Majestäten koordinieren.

Wenig Mühe, seinen Job aus dem Hobby herauszuhalten, gibt sich auch Klaus Stickelbroeck, Dienstgruppenleiter auf der Wache Bilk. Schließlich schreibt er Krimis. "Das ergänzt sich gut. Ich war an vielen Tatorten", sagt der Hobby-Autor. "Und ich kann genauer hinsehen." Im Verhör beobachtet er etwa Zuhälter ganz genau, hakt mit persönlichem Interesse nach, warum eine Wasserleiche dort angespült wird, wo sie angespült wird. "Das nutze ich dann für meine Bücher."

Ermitteln lässt er darin allerdings keinen Polizisten, sondern den Ex-Fortunaspieler und Privatdetektiv Hartmann. "Der kann schräger daherkommen", sagt Stickelbroeck. Und in seinem aktuellen Roman "Fischfutter" geraten sogar Polizisten wegen eines Mordes unter Verdacht.

Gerade recherchiert der 46-Jährige für sein nächstes Buch, das wohl in einem Jahr erscheint. "Es geht wohl mal Richtung Unterbach", sagt Stickelbroeck. Dort am See geht er gern joggen und weiß schon, wo er für seine Handlung zum Beispiel ein Haus baut - rein literarisch. Die Idee gibt: Eine Frau will Hartmann beauftragen, stirbt aber plötzlich; der Privatdetektiv stellt Nachforschungen an. "Wie sie zu Tode kommt, weiß ich noch nicht. Aber vermutlich wird sie mit einem Kissen erstickt." So schaltet ein Polizist vom Arbeitsalltag ab. Eben doch ein bisschen anders.