Alles gegeben, aber verloren
Bedrückte Fans verlassen das Rudelgucken schon vor dem Schlußpfiff – Impressionen aus Kempen, Grefrath und Nettetal.
Kempen/Grefrath/Nettetal. Sonntag war Showdown um Europas Fußballkrone. Mit großen Andrang hatten die Gaststätten "Falko" und "Marktgrill" auf dem Kempener Buttermarkt gerechnet und zahlreiche Biertische bereitgestellt. Dennoch reichten sie nicht aus.
"Es war richtiges Gänsehaut-Feeling", sagt Kino-Theaterleiter Imad Assaf, "als jeder bei der Nationalhymne vom Platz aufsprang und lauthals mitsang." Er freute sich über ein volles Haus. Doch die Stimmung war nach der 33.Minute, als Deutschland das Tor kasierte, dahin. Sie erreichte ihren Tiefpunkt einige Sekunden vor Spielende, als viele fluchtartig das Kino verließen - der Titeltraum war endgültig geplatzt.
Nicht mehr einkriegen vor Freude konnten sich hingegen die zwei einzigen Vertreter des neuen Europameisters, Spanien: Sie schwenkten ihre Fahnen.
Euphorisch kamen die rund 4000 meist jugendlichen Fans ins Grefrather Stadion. Zunächst waren sie noch begeistert, trieben ihre Mannschaft nach vorn. Danach ließ die Stimmung merklich nach. Schon beim Führungstor verließen rund 200 Fans die Fläche unterm Zeltdach.
Ein Großteil der Besucher machten sich vor Spielende aus dem Staub. Auffallend waren die beiden Grefrather Polizeibeamten: Manfred Franzen kam mit der Nummer acht (Frings) auf dem Rücken und Dietmar Borgs trug die Nummer 16 (Lahm). Doch auch das half nicht.
Verlierer sind einsam. Ganz allein lief ein junger Mann gegen Mitternacht durch Kaldenkirchen. Trompetet ab zu und zu mit seiner Tröte, rief "Deutschland, Deutschland!" Die Gesänge zu Fußballhits aus der vollen Gaststätte "Zur Mühle" wehten noch zur Halbzeit durch die Nachbarstraßen, später ebbten sie ab zum frustrierten Stimmengewirr. Gleich nach Spielende ein einsamer Huper auf der Kölner Straße, vielleicht ein Spanier? Kurz darauf ein Auto mit jungen Fans, wildes Hupen, trotzige Rufe: "WM, wir kommen!"
An der Bischof-Peters-Straße stand vor einem Haus ein Jeep, am Sonntagabend komplett in Deutschland-Fahnen gehüllt. Gestern in der Früh stand der Wagen immer noch da- aber ganz nackt, blank die Karosserie, die Fahnen sind weg.