Kempen: Gleichschritt im Turnunterricht
Der Unterricht hatte die Schüler zum vollen Einsatz für "Führer" und Nation zu erziehen.
<strong>Kempen. Die Beeinflussung beginnt schon im Kindergarten - wenn er der NSV, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, untersteht. Im NSV-Kindergarten St.Hubert (Kirchplatz 3) lernen die Kleinen: "Händchen falten, Köpfchen senken- und an Adolf Hitler denken!" So wird der "Führer" zum Ersatz-Messias aufgebaut. Nach der "Machtergreifung" muss die Kempener Lehrerschaft 1933 einen Treu-Eid auf den "Führer" leisten. Dazu werden die Lehrer in der katholischen Knabenvolksschule versammelt, die nun "Adolf-Hitler-Schule" heißt (heute: Martin-Schule); die Lehrerinnen in der Mädchenvolksschule am Hessenring (die lag etwa an der Stelle des heutigen Aldi-Edeka-Einkaufszentrums).
Die Leitung der Veranstaltung in der Mädchenschule obliegt der dortigen Rektorin Anna Hausen. Anders als geplant, weist Hausen auf die Gewissensfreiheit der Kollegen hin.
"Natürlich verpflichten wir uns nur soweit, als es nicht gegen unser Gewissen verstößt." Als die Äußerung die Runde macht, muss sie den Dienst quittieren.
1939 hebt der NS-Staat die konfessionellen Schulen auch in Kempen auf und ersetzt sie durch ideologisch ausgerichtete Gemeinschaftsschulen. Geistliche dürfen die Schulen nicht mehr betreten; im Mai 1939 werden die Wandkreuze abgenommen und durch "Führerbilder" ersetzt. Die evangelische Volksschule, die seit dem 10. November 1933- der 450.Wiederkehr des Geburtstags von Martin Luther - "Martin-Luther-Schule" heißt, wird aufgelöst. Nach den Osterferien werden ihre Schülerinnen und Schüler- viele widerwillig- der Mädchen- bzw. Knabenvolksschule zugeteilt.
"Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend", hatte Hitler in seinem Ideologie-Leitfaden "Mein Kampf" erklärt. Folglich nimmt alles, was mit Sport zu tun hat, den ersten Platz ein, gefolgt von ideologiebefrachteten Fächern wie Deutsch und Biologie mit Rassenlehre. Im Turnunterricht der Volksschule wird schon im 3. Schuljahr Gleichschritt geübt.
Wenn den Schülern im Mathe-Buch vorgerechnet wird: "Ein Geisteskranker kostet täglich RM 4.-, ein Krüppel RM 5,50, ein Verbrecher RM 3,50", sollen die Kinder an den Gedanken herangeführt werden, dass es menschliches Leben gibt, das lebensunwert sein soll.
Insgesamt hat der Unterricht die Schüler zum vollen Einsatz für "Führer" und Nation zu erziehen. In der Regel gehören die Pädagogen nun der NSDAP an. Aber es gibt auch System-Gegner unter ihnen.
Das Thomaeum ist weitgehend NS-freie Zone geblieben. Das liegt vor allem an Oberstudiendirektor Dr.Josef Bast (seit dem 1. März 1930) - einem Mann, der hoch angesehen war, aber nicht gerade volkstümlich. Als ein erklärter Gegner der Nazis gilt Bast heute als Symbolfigur für Zivilcourage. Dieser Schulleiter schreckte nicht davor zurück, seinen Schülern Passagen aus dem offiziellen Lehrbuch als "gelogen" zu bezeichnen.
Am Abend des 20.Juli 1944, als der Putschversuch des Grafen Stauffenberg gescheitert ist, stößt Bast mit vertrauten Kollegen darauf an, "dass es das nächste Mal klappt!" Seine Persönlichkeit und sein Ansehen ließen ihn das "Dritte Reich" überleben.
Ähnlich wie Bast denkt ein Religionslehrer, der Studienrat Wilhelm Schmidt, von dem 1945 die Idee zur Gründung einer Kempener CDU ausgehen wird. Bast deckt ihn, verhindert Verhaftung und Militärdienst.
Oberschulen Um das höhere Schulwesen zu vereinheitlichen, ordnet im August 1937 ein Erlass zusammengesetzte Namen für die Oberschulen an.
Thomaeum Die NS-Kreisleitung Kempen-Viersen möchte in Kempen das Andenken an den Gründer des NS-Lehrerbundes verewigen, der zwei Jahre zuvor bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist: Das Thomaeum soll künftig "Hans-Schemm-Oberschule" heißen.
Konfessionelle Färbung Denn es müsse " in einer Zeit, in der alle Kräfte nach Gemeinschaft drängen, eine Namengebung mit konfessioneller Färbung, wie das bei Thomas a Kempis ohne Frage zutrifft, möglichst vermieden werden".
Ohne Erfolg Auf Dr. Basts Vorstellungen hin ordnet die Schulaufsicht als neuen Namen "Thomaeum, Oberschule für Jungen in Kempen Ndrrh." an.