Anrath: Ein Musiker mit Leib und Seele

Rückblick: Seit 1970 ist Burkhard Steffen Organist an St. Johannes. Am Sonntag geht er in die Altersteilzeit.

Anrath. Schon der Fahnenhalter am Haus verrät es: Hier wohnt jemand, für den Musik ganz wichtig ist. "Den habe ich selbst entworfen", erklärt Burkhard Steffen, bis kommenden Sonntag Organist und Chorleiter an St. Johannes, nachdem er die Haustür geöffnet hat: "Er zeigt das Emblem des Cäcilienverbandes."

Und während er den Besucher ins Wohnzimmer leitet, führt der Weg vorbei an weiteren Hinweisen auf seinen Beruf: Noten an der Türklingel, die Heilige Cäcilia - Patronin der Kirchenmusik - im Flur, eine Uhr mit mächtigem Westminsterklang an der Wand.

Musiker mit Leib und Seele - mit Blick auf Burkhard Steffen ist diese Aussage sicher nicht übertrieben. Schon sein Opa, von Beruf Schulrektor, spielte in der Kirche die Orgel. Und Burkhard Steffen folgte ihm konsequent: "Ich wollte Kirchenmusik und Schule machen" - diese doppelte Berufswahl stand früh fest. Schon während des Studiums in Aachen wurde dieser Weg konsequent beschritten: 1968 wurde Steffen Organist an St.Georg in Schwalmtal. "Meine Eltern wohnten damals dort. Und ich dachte: Fein, dann kann ich bei denen auch wohnen." Was aber nicht funktionierte: Die Eltern wechselten den Wohnort, der frisch gebackene Kirchenmusiker zog zunächst ins Jugendheim.

1969 begann Steffen mit seiner nebenamtlichen Tätigkeit als Lehrer an der Kreismusikschule Viersen. Ein Jahr später führte ihn der Weg dorthin, wo er am Sonntag Abschied feiert: St. Johannes in Anrath wurde die neue Heimat des Bocholters.

Das waren spannende Jahre damals. Denn in der Anrather Gemeinde war gerade beschlossen worden, eine neue Orgel einzurichten. Was den jungen Musiker in die traumhafte Situation versetzte, sich ein Instrument nach Wunsch entwerfen zu können. "Das ist schon etwas ganz Besonderes." Am 21.Oktober 1973 wurde die Wilbrand-Orgel geweiht. Mit ihren 40 Registern und mehr als 2800 Pfeifen ist sie bis heute die größte Orgel auf Willicher Stadtgebiet.

Eine kleine Schwester des mächtigen Instruments ist übrigens in den 90er Jahren im benachbarten Vorst in der evangelischen Kirche gebaut worden. Auch hier hatte Steffen seine beratende Stimme im Spiel. "Ich habe mich damals zum Lob Gottes gegen ein Provisorium ausgesprochen." Einer Empfehlung, der auch gefolgt wurde.

Zurück nach Anrath. Dort begann mit der Orgelweihe eine rege Konzerttätigkeit, die bis heute anhält. In einer großen Künstlermappe bewahrt Steffen sie alle auf, die Plakate zu den unzähligen St. Johannes-Konzerten, Chorjubiläen, Kirchenmusikwochen und Benefizkonzerten, an denen er als Organist und Chorleiter teilgenommen hat. Er leitet seit 1983 übrigens auch den Chor der evangelischen Gemeinde Anrath-Vorst. Klar, dass es auch gemeinsame Konzerte im "Geist der Ökumene" gab.

Da Steffen von der Kirchenmusik allein nicht leben konnte, setzte er seine Lehrtätigkeit fort. So ist er seit 1974 Lehrer an der Jugendmusikschule des Kreises Neuss, war kurze Zeit Musikerzieher an der Realschule Schwalmtal. Was sich mit der Kirchenmusik aber nicht gut verbinden ließ: Messen, Trauungen, Beerdigungen finden überwiegend vormittags statt.

Mit zwei Messen am Tag fing Burkhard Steffen damals in Anrath an. Von den Wochenenden ganz zu schweigen. Heute ist alles anders: Eine Messe gibt’s noch in der Woche, zwei am Wochenende. Und die Entwicklung geht ganz klar zu nur noch einem Organisten für mehrere Gemeinden. Burkhard Steffen sieht es mit Sorge. Seine Überzeugung: "Wir erreichen die Menschen in der Kirche vor allem mit dem Gesang, nicht mit dem gesprochenen Wort."

Mit Blick auf die immer geringer werdende Zahl seiner Dienste hat sich Steffen vor zwei Jahren entschlossen, als Kirchenmusiker die Altersteilzeit anzutreten. Wenn er davon erzählt, merkt man genau, wie schwer ihm dieser Schritt gefallen ist, wie groß seine Angst ist, was aus "seinem" Chor wird. Als Musiklehrer sowie als Leiter des evangelischen Chores bleibt er allerdings weiter aktiv. Und auch in St.Johannes will er noch gelegentlich spielen. "Wenn mal Not an der Orgel ist", wie es dazu im Pfarrbrief heißt.