Engagement für die Willicher Tafel

Michael Bangura und Allieu Kamara sind Flüchtlinge aus Sierra Leone. Sie engagieren sich bei der Willicher Tafel.

Anrath/Neersen. Was Michael Bangura (17) und Allieu Kamara (18) von ihrer Kindheit und Jugend erzählen, schockiert. Die beiden kommen aus dem westafrikanischen Bürgerkriegsland Sierra Leone. Ihre Familien sind tot. Sie selbst waren Kindersoldaten. "Wenn ich in mein Heimatdorf zurückgehen müsste", sagt Allieu, "würde ich umgebracht." Vor knapp einem Jahr flohen die beiden. Seit elf Monaten leben sie in der Gemeinschaftsunterkunft an der Jakob-Krebs-Straße in Anrath.

Wäre für manche die Unterkunft in einem Mehrbett-Zimmer eines kasernenartigen Gebäudes für eine solch lange Zeit eine Zumutung, sind Michael und Allieu damit sehr glücklich. "Sie sind dankbar dafür, in Frieden leben zu können", sagt Markus Kramer vom Willicher Jugendamt, der die Vormundschaft für die beiden Jugendlichen übernommen hat.

Diese Dankbarkeit drücken sie in beinahe jedem Satz über ihre neue Heimat aus. Es sei schön hier, findet Michael. "Die Leute sind sehr freundlich und hilfsbereit." In den elf Monaten seit ihrer Ankunft haben sie bereits respektabel Deutsch gelernt. "Bildung ist unsere einzige Chance", meint Allieu. "Nur so können wir uns wirklich integrieren."

In Anrath besuchen sie die Förderklasse der Johannesschule. Eigentlich müssten sie wegen ihrer noch vorhandenen Sprachrückstände die Klasse wiederholen. Dennoch werden sie in die 10. Klasse versetzt. "Das liegt an ihrem Alter", erklärt Schulsozialarbeiterin Jutta van Amern. "Michael und Allieu sind absolute Vorzeigeschüler: diszipliniert, äußerst fleißig, intelligent und vor allem sehr reflektiert." "Der deutsche Staat tut so viel für uns", sagt Allieu. "Das wollen wir zurückgeben." Darum beteiligen sich die beiden, die sich erst in Anrath kennenlernten, am Projekt "Jess" der Johannesschule. Ein Mal in der Woche, immer montags, helfen sie in der Neersener Ausgabestelle der Willicher Tafel mit.

Mit dem Fahrrad bringen sie Lebensmittel zu alten und behinderten Menschen. Peter Mingers, Zweiter Vorsitzender der Tafel, lobt seine beiden afrikanischen Mitarbeiter: "Sie sind absolut unkompliziert und haben auch zu den Menschen, denen sie die Sachen bringen, einen guten Draht." Marita Gentsch vom Freiwilligen-Zentrum Willich fügt hinzu: "Es ist schön zu sehen, wie zuverlässig die beiden ihren Aufgaben bei der Tafel nachgehen." Nach einem Jahr gibt es für die Projekt-Teilnehmer eine Bescheinigung, die sie Bewerbungen als zusätzliche Qualifikation beilegen können.

Das ist auch für Michael und Allieu interessant. Noch mehr jedoch ist ihnen das geregelte Leben in einem friedlichen Umfeld wichtig. "Das kannten wir bisher nicht", erzählt Allieu. "Wir sind im Krieg aufgewachsen."

Ihre Zukunft ist allerdings ungewiss, denn wie lange sie bleiben dürfen, wissen sie nicht. "Ich bin sehr dankbar für die Chance, die man mir gegeben hat. Ich hatte eine Zeit vieler schlimmer Erlebnisse", sagt Michael. "Und auch als ich kam, war alles so fremd: Neues Land, neue Kultur, neue Sprache. Jetzt würde ich gerne bleiben." Allieu ergänzt: "Wir sind froh, dass wir am Leben sind." Und dass sie Dinge erleben können, die sie nicht kannten: Sport in der Freizeit, Treffen mit Freunden, Schnee im Winter - Dinge, die sie die Erfahrungen aus der Vergangenheit zumindest zeitweise vergessen lassen.