Theater am Neersener Schloss: Mörderischer Spaß mit viel Slapstick

Die Komödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ feierte auf der Bühne am Schloss Premiere.

Neersen. Vergessen Sie alles, was Sie über "Arsen und Spitzenhäubchen" wissen! Geht nicht? Genau! Weil so viele den Klassiker zumindest als Film mit Cary Grant kennen, hatte es keinen Sinn bei dem Stück für die Schlossfestspiele auf den Faktor Spannung zu setzen. Also haben es die Theatermacher schlicht gelassen. Das ist gut so.

"Arsen und Spitzenhäubchen", das am Freitagabend im Schlosshof Premiere feierte, ist in Neersen keine Kriminal- oder Gruselkomödie, wie das Stück des Amerikaners Joseph Kesselring oft genannt wird. Hier wird nicht mit Gänsehaut verfolgt, wie Neffe Mortimer versucht, den Leichenfund in seinem und dem Haus seiner Tanten aufzuklären und zu verkraften. Hier ist die schwarze Komödie ein Strudel an Skurrilität, Spinnerei, Slapstick und Spielfreude.

Allerdings braucht der Strudel in Neersen etwas, bis er sich aus dem zunächst dahin plätschernden Beginn der Geschichte entwickelt. Die beiden reizenden älteren Damen Abby und Martha Brewster schäumen über vor Gastfreundschaft und Nachbarschaftshilfe.

Auch haben sie ein großes Herz für ihren im gleichen Haus lebenden Neffen Teddy, der sich für den amerikanischen Präsidenten Roosevelt hält. Als der ebenfalls bei ihnen lebende Neffe Mortimer auf der Suche nach einem Manuskript eine Leiche in einer Truhe findet, hält er Teddy für den Täter.

Schnell muss er jedoch erfahren, dass seine Tanten aus lauter Nächstenliebe ein Dutzend älterer einsamer Herren mit vergiftetem Holunderwein getötet haben, weil sie ihnen Frieden schenken wollten. Plötzlich will Mortimer seine geliebte Elaine nicht mehr heiraten. Er fürchtet, das verrückte Gen der Verwandtschaft in sich zu tragen.

Wolf-Guido Grasenick spielt den verzweifelten Mortimer Brewster. Er muss nicht Cary Grant sein, um die Zuschauer auf ein Happyend der zerbrechlichen Liebe zu Elaine hoffen zu lassen.

Er ist angesichts der Ereignisse über die Maßen erschreckt, am Boden zerstört, völlig verwirrt, brüllt, hadert - und das alles Schlag auf Schlag. Und er ist mit ein Garant für die Slapstick-Erfolge des Stücks.

Eine schöne, starke und dadurch moderne Elaine steht ihm zur Seite. Herrlich, wie Verena Held, ein neues Gesicht in Neersen, sich ihren Gute-Nacht-Kuss aggressivst erstreitet. Schmerzhaft glaubhaft, wie sie nach einer Würgeattacke des absolut psychopatisch-mörderischen dritten Brewster-Neffen Jonathan ihre Hals-Nacken-Wiederbelebungsgymnastik betreibt.

Absolut überragend sind im zwölfköpfigen Ensemble - nicht mitgezählt zwei knochenlose Totendarsteller - Susanne Flury (Martha), Brigitte Böttrich (Abby) und Markus Rührer (Teddy). Die beiden freundlichen Giftmischerinnen bleiben völlig gelassen, als Mortimer ihr Geheimnis entdeckt, zählen ihm stolz die tödliche Rezeptur aus Arsen, Strychnin und einer "ganz kleinen Prise Zyankali" auf als sprächen sie über Schmorbraten-Soße.

Sie kichern wie Backfische über ihren bizarren Zeitvertreib und sind nur irritiert beim Streit, ob sie nun elf oder zwölf Männer in den ewigen Schlaf versetzt haben. Und schließlich wollen sie zur Polizei, als Jonathan eine seiner Leichen in ihrem Keller vergraben will, weil sie ja Steuern zahlen. Für sie ist das mörderisch Monströse Normalität. Das ist grotesk und irre komisch.

So wie auch Markus Rührer (ebenfalls neu im Team) als durchgeknallter Teddy liebenswert verrückt ist. Seine Auftritte sind ein lustiger Dauerlauf. Treppauf, treppab, hat er es aber auch leicht, das Publikum mit dieser Rolle auf seine Seite zu ziehen.

Er braucht nur mit Tropenhelm und Jagdhorn zum Kampf blasen oder einem "Attacke" die imaginären Hügel von San Juan stürmen und hat die Lacher auf seiner Seite.

Alles in allem bescheren Ensemble und Regisseur Rainer A. Güther (2008 ein wunderbarer Nathan und in "Arsen und Spitzenhäubchen" in einer Kurzrolle mit "tschönem" Sprachfehler zu sehen) einen vergnüglichen Abend. Das Publikum goutierte das mit vier "Vorhängen" Applaus.