Harte Krise, aber weit weg von 1929

Kammerpräsident Wilhelm Werhahn zu Chancen und Risiken der Krise.

WZ: Herr Werhahn, können Sie noch ruhig schlafen?

Wilhelm Werhahn: Wer gut entscheiden will, sollte ausgeschlafen sein. Ich bin mit einem guten Schlaf gesegnet.

Werhahn: Ein Einbruch von 20,7Prozent ist eigentlich nicht verwunderlich. In einer weltweiten Wirtschaftskrise sind wir als Exportweltmeister natürlich geschädigt. Wir am Niederrhein sind allerdings noch in einer relativ guten Position. Wir haben zwar eine hohe Exportquote von 50Prozent, doch die Hälfte geht ins Euro-Land. Und damit ist man nicht so schlecht gestellt wie bei Geschäften mit Asien oder den USA.

Werhahn: Man kann es allgemein formulieren. Firmen und Gebietskörperschaften, denen es bisher gut ging, werden die Krise bessern meistern als andere. Dennoch: Der Rhein-Kreis Neuss ist keine Insel der Seligen.

Werhahn: Die Logistikbranche ist schon sehr belastet. Natürlich deshalb, weil es weniger Exportgeschäfte gibt. Aber auch die Mauterhöhung spielt da hinein. Und das in dieser Zeit! Da kann man nur den Kopf schütteln. Ich habe mit einem Mittelständler gesprochen: Für den macht das bei unverändertem Fuhrpark eine Steigerung von 70000 auf 110000Euro aus. Aber es gibt auch Positives: Wir haben Glück mit den Häfen Neuss und Krefeld. Die ziehen so manches logistische Angebot in den IHK-Bezirk.

Werhahn: Es ist umgekehrt. Die Politik trägt die Verantwortung dafür, dass hier etwa Strom doppelt so teuer ist wie in Frankreich oder Schweden. Da positionieren sich Unternehmen richtig, bewusst neben dem Braunkohleabbau. Und dann macht die Politik den energieintensiven Unternehmen das Leben schwer: Der CO2-Emissionshandel wird mittelfristig dazu führen, dass energieintensive Industrien mitsamt den Arbeitsplätzen in Länder mit niedrigen Umweltstandards abwandern werden. Deshalb sind die Schwierigkeiten der Aluminiumindustrie ein Frühwarnsystem für andere bei uns wichtige Branchen von Chemie bis Textil.

Werhahn: Ich bin kein Freund von Subventionen. Es fehlt aber eine konsistente Energiepolitik. Dazu gehörte auch eine Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken. Wir brauchen einfach eine Vielzahl von Deregulierungen gegen diese Überteuerungen.

Werhahn: Ich halte viel davon, die Dinge beim Namen zu nennen. Zweckoptimismus dient der Verbreitung von Nebelkerzen. Ja, wir haben eine schwere Krise. Aber wir sind weit weg von 1929. Sehen Sie auf den Arbeitsmarkt: Viele Unternehmen nutzen das Instrument der Kurzarbeit. Das zeigt, dass sie nicht pessimistisch sind und nach der Krise mit ihren Facharbeitern durchstarten wollen. Und auch die Regierungen haben aus den Fehlern von damals gelernt, sie machen eine antizyklische Finanzpolitik und vermeiden den Protektionismus - zumindest meistens.

Werhahn: Ich werde Ihnen kein Datum nennen. Wir haben eine Entwicklung wie die aktuelle noch nicht erlebt. Wann sie beendet ist? Da bin ich unsicher. Sicher bin ich aber, dass wir die Krise überwinden werden.

Werhahn: Die Krise wird zu größeren Lernprozessen führen, und sie tut es jetzt schon. Es ist völlig richtig, dass über Managergehälter und Boni jetzt im gesamten Aufsichtsrat beraten werden muss. Dicke Boni nach drastischen Misserfolgen - das ist doch obszön! Und es muss auch Schluss sein mit Verträgen, die von der Struktur her auf Gier ausgerichtet sind. Und schließlich: Die Bankenaufsicht hat nicht funktioniert. Da hat Politik versagt. Ja, die Krise lässt Bürger, Politiker, Manager und Unternehmer lernen. Und das ist schließlich auch eine Chance.

Wilhelm Werhahn (70) ist seit 2002 Präsident der IHK Mittlerer Niederrhein. Bis 2003 war er im Vorstand der Werhahn-Konzernholding tätig.