Arzneimittel: Patienten-Interesse muss Vorrang haben
Heimliche Arztgeschäfte — ein Urteil mit negativen Folgen
Ärzte dürfen nicht das Interesse Dritter über das Wohl der Patienten stellen — heißt es in der Berufsordnung der Ärzte. Dass sie auch ihr eigenes Wohl nicht über das der Patienten stellen dürfen, erschien den Standespolitikern offenbar so selbstverständlich, dass sie dies gar nicht erst erwähnten. Doch eben das passiert durchaus — wie der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall zeigt: Ärzte hatten als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln Provisionen kassiert.
Die Richter mussten den Fall am Maßstab des Strafgesetzbuchs messen. Sie kamen dabei zu dem Ergebnis, dass sowohl die an dem Geschäft beteiligten Ärzte als auch die das Geld versprechenden Mitarbeiter des Pharmaunternehmens straffrei ausgehen. Das ist juristisch nachzuvollziehen. Denn die Paragrafen, die Bestechung und Bestechlichkeit unter Strafe stellen, setzen nun mal voraus, dass der Arzt Amtsträger ist. Was bei seiner freiberuflichen Stellung kaum zu begründen ist.
Dennoch war auch den Bundesrichtern nicht wohl bei dieser Entscheidung. Denn sie taten etwas, was Richter selten tun: Sie rechtfertigten ihr Urteil mit einem „Wir können nicht anders.“ Das Verhalten sei nach dem geltenden Strafrecht straflos. Und: Der Gesetzgeber könne das durchaus anders regeln.
Eben das sollte er tun. Es geht hier nicht nur um ein Geschäft zwischen zwei Beteiligten — Arzt und Pharmaindustrie. Von den Folgen der verschwiegenen Abmachung sind auch andere betroffen: die Pharmafirmen, die solche Methoden nicht praktizieren und deshalb den Kürzeren ziehen. Des weiteren die Krankenkassen und ihre Beitragszahler, die mehr für Medikamente bezahlen müssen, weil ja auch das Schmiergeld eingepreist wird.
Vor allem aber geht es um den Patienten. Weil bislang nicht klar war, ob ein solches Verhalten strafbar war, konnte man davon ausgehen, dass es nur wenige schwarze Schafe waren, die hier etwas riskierten. Nun, da die Straflosigkeit höchstrichterlich feststeht, kann sich kein Patient mehr sicher sein, ob nicht auch sein Arzt das Verschreibungsverhalten an freundlichen Gaben der Pharmavertreter orientiert. Es müsste auch im Interesse der Ärzteschaft liegen, das Patientenvertrauen wieder zu garantieren — indem unlauter agierenden Kollegen das Handwerk gelegt wird.